Von Michaela Behr, Sonthofen - Liebevoll pinselt Andreas Ziegler den Bart des Heiligen Hieronymus. Er steht in gut zwei Metern Höhe auf einer Leiter im Altarraum. Wasser kann er beim Säubern der barocken Heiligenfigur nicht verwenden, denn ihre Oberfläche besteht aus empfindlichem Kreidegrund. Daher müssen Hieronymus Bartlöckchen, die Gewandfalten und die Gesichtszüge regelmäßig mit Pinsel und Staubsauger bearbeitet werden. Und nicht nur das: 900 Quadratmeter Barockkirche sind zu putzen und um die 60 liturgische Gegenstände zu pflegen. Etwa mehrere hundert Jahre alte Kelche oder Rauchfässer. Oder die alte goldene Monstranz für den Wettersegen, in die zahlreiche winzige Reliquien eingelassen sind. Seit 30 Jahren ist Andreas Ziegler hauptberuflich Mesner. 19 Jahre war er jung, als er sich nach der Lehre zum Kunststoffschlosser für die Arbeit im Gotteshaus entschied. 'Ich war zuvor zehn Jahre Ministrant und habe dem Mesner regelmäßig geholfen. Das reizte mich schon immer', erinnert er sich. Seit 22 Jahren ist der mittlerweile 50-Jährige tätig in der Sonthofener Pfarrei St. Michael. Er ist ein Allround-Talent: Erledigt Arbeiten eines Hausmeisters, Floristen und Gärtners. Ebenso ist er Künstler, wenn er zu Festtagen Blumenschmuck symbolisch gestaltet. Oder einen Brunnen mit fließendem Wasser für die Weihnachtskrippe zimmert. Er ist Seelsorger, wenn Gemeindemitglieder das Gespräch suchen. Und Ersthelfer, wenn es während des Gottestdiensts einem Besucher übel wird. Jede Menge Arbeit ist gerade auch an Weihnachten angesagt: Material für den Adventskranz ist nötig. Mit einigen Helfern stellt der Mesner den etwa sieben Meter hohen Weihnachtsbaum auf und schmückt ihn. Die Krippe muss aufgestellt und der Kirchenraum geschmückt werden. Stressig wird es, wenn es vor Weihnachten zu schneien beginnt, und Andreas Ziegler auf dem Kirchengelände zusätzlich Schnee schippen muss. Das ganze Jahr über ist Andreas Ziegler aber vor allem 'Zeremonienmeister' und sorgt - stets aus dem Hintergrund - für einen reibungslosen Gottesdienstablauf. Daher ist er auch für die Ausbildung der Ministranten zuständig. 'Ich bin immer der erste und der letzte in der Kirche', sagt er. Vor Gottesdiensten sperrt er die Türen auf, entfernt abgebrannte Opferkerzen und zündet neue Lichter an. Anschließend schaltet er Mikrofone und Lautsprecher ein. Er richtet liturgische Gegenstände wie Messbücher, Gewänder, Wasser, Hostien und Wein her. Messwein gibt es bei einem Messweinhersteller in Illertissen, Hostien in allen Größen in Hostienbäckereien. Den Ministranten hilft der Mesner beim Ankleiden. Während der Gottesdienste verrichtet er werktags oft selbst Ministrantendienste, springt als Lektor ein oder als Kommunionhelfer. Und beim Sonntagsgottesdienst überwacht der 50-Jährige den Gottesdienst aus dem Hintergrund. 'Wenn die Ministranten nicht weiter wissen, gebe ich ihnen dezente Handzeichen. Und wenn ausländische Priester zelebrieren, sind sie manchmal nicht sicher in der Liturgie und brauchen unauffällige Hilfe', erzählt er.
Am stressigsten ist der Karsamstag 'Am stressigsten geht es jedes Jahr am Karsamstag zu', sagt Ziegler ohne lange zu überlegen. 'Am Karfreitag noch ist die Kirche nüchtern, die Bilder sind verhängt, es gibt keinen Blumenschmuck. Am Samstagabend soll sie strotzen vor Blüte.' Früh um sechs Uhr beginnt er daher, die Kirche zu schmücken. Im Laufe des Vormittags steht eine Ministrantenprobe an. Das Osterfeuer muss vorbereitet werden, Mikrofone und Lautsprecher sind nötig, um den Messbeginn am Feuer in den Kirchenraum zu übertragen. Der Mesner bereitet ausreichend Weihwasser, Kelche und Hostienschalen vor. Und er muss Ideen des Pfarrers - etwa Dias zur Predigt - technisch umsetzen. Neben Gottesdiensten und Kirchenfesten finden in St. Michael zudem etwa 90 Beerdigungen im Jahr statt, rund fünf Hochzeiten und 25 bis 30 Taufen. Andreas Ziegler ist so gut wie immer dabei. Auf dem Papier arbeitet der Mesner von St. Michael 42 Stunden pro Woche. In der Realität, so schätzt er, sind es mindestens 50 Stunden. Und in seiner raren Freizeit agiert Andreas Ziegler dann als Regionalleiter des Mesnerverbandes Kempten-Sonthofen-Lindau. Organisiert Fortbildungen oder gesellige Beisammensein und erledigt Büroarbeiten. 'Natürlich muss die Familie Verständnis für meine Arbeit haben, aber Mesner ist für mich ein Traumberuf. Den Reiz macht vor allem aus, dass ich etwas tue zur Ehre Gottes und zur Freude der Menschen', sagt er.