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Zeit zum Reinemachen

Hinterstein

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    Zeit zum Reinemachen
    Zeit zum Reinemachen Foto: Dirk Ambrosch

    Masseninfekt Besuch auf dem Luitpold-Haus, das nun desinfiziert wird – Wanderer gelassen Um kurz nach neun ist die Hütte gerade wieder sauber. Der tägliche Hausputz, wenn die Übernachtungsgäste weg sind. Der Boden noch nass, wer rein will, muss die Bergschuhe ausziehen. Es ist die Zeit am Tag, während der die Pächter des Prinz-Luitpold-Hauses ein klein wenig Luft haben, bevor die nächsten Wanderer kommen. Und so sitzt Hüttenwirt Andi Berktold an diesem Morgen am Stammtisch im Gastraum und grübelt. Es ist Tag fünf nachdem die ersten kranken Wanderer mit Rettungshubschraubern von Allgäuer Berghütten geflogen wurden; geschwächt von Erbrechen und Durchfall. Seit Montag steht fest, dass auch Noro-Viren die Erkrankungen auslösten. 'Und ich frage mich, wieso von Anfang nur gesagt wurde, das Trinkwasser ist schuld. Das Wasser hier oben in den Bergen ist von guter Qualität. Auch ohne Entkeimungsanlage.' Schon am vergangenen Samstag habe man ahnen können, 'dass da noch was anderes im Spiel sein kann', sagt der 40-jährige Hüttenwirt Berktold. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits ein Bergwachtler und ein Arzt auf der Hütte, um auf neue Krankheitsfälle reagieren zu können. Am Donnerstag hatte es den ersten Kranken auf dem Luitpold-Haus gegeben: Ein Mann war im Lager mit Fieber und Durchfall zusammengebrochen. Am Samstag erwischt es zwei Wanderer, die von der Kemptner Hütte kommen, in der Nacht zum Sonntag dann eine Familie. Und auch eine Bedienung vom Hüttenpersonal klagt über Erbrechen und Durchfall. Die Kranken werden mit dem Hubschrauber ausgeflogen. Und während all dieser Fälle auf seiner Hütte haben 'Bergwacht und Ärzte schon am Wochenende vermutet: Es kann auch ein Virus sein', sagt Andi Berktold. Noro-Viren in über zehn Proben Bis zum Montagnachmittag hatte das Landratsamt Oberallgäu das verunreinigte Trinkwasser der Rappenseehütte als 'Primärquelle' für die Magen-Darm-Erkrankungen bezeichnet. Eine Defekt in einer UV-Entkeimungsanlage sei schuld an der Verunreinigung. In Laboruntersuchungen wurden dann jedoch in über zehn Proben Noro-Viren nachgewiesen, die hoch ansteckend sind und Erbrechen und starke Durchfälle verursachen. Die Infektion erfolgt durch Übertragung der Viren von Mensch zu Mensch. Weswegen nun von zwei Infektionsquellen ausgegangen wird. Welche Quelle für wieviel Kranke verantwortlich ist, lässt allerdings nicht sagen. Die krankheitsauslösenden Keime im Trinkwasser der Rappenseehütte sind noch nicht identifiziert. Bis zum Dienstag hatten sich 230 Bergwanderer mit einem Magen-Darm-Infekt angesteckt. Fünf befanden sich noch im Krankenhaus. Vorsorglich werden neben der seit Sonntag geschlossenen Rappenseehütte auch Luitpold-Haus, Kemptner Hütte und Mindelheimer Hütte von einer Spezialfirma desinfiziert. Andi Berktold führt noch in den Technikraum, wo die UV-Entkeimungsanlage steht. Viele Alpenvereinshütten haben so eine Anlage. 'Alles in Ordnung' steht auf der Digitalanzeige. So sehen das die Bergfreunde offenbar auch. Verunreinigtes Trinkwasser, Noro-Viren – die Wanderer im Hintersteiner Tal lassen sich davon nicht abschrecken. Knapp 50 Gäste übernachteten am Montag auf dem 1846 Meter hoch gelegenen Luitpold-Haus – trotz Regenwetters. Zwei Burschen aus dem Hessischen berichten von 'richtig guter Stimmung'. Hüttengaudi eben. Besondere Vorsichtsmaßnahmen hätten sie nicht getroffen. Zumal das Hüttenpersonal Desinfektionsmittel zum Händewaschen bereit gestellt habe. 'Das sollte doch reichen, oder?'. Ein Wanderer aus Pirmasens, unterwegs zum Hochvogel, will auf der Hütte allerdings nur sein eigenes Wasser trinken. Und dann sagt er noch: 'Um die Sache wird halt auch ein bisschen Hysterie gemacht.' Hüttenwirt Berktold hofft jedenfalls, dass sich die Gäste nicht beeinflussen lassen und in die Berge gehen. Schließlich ist Hochsaison. Und in Anspielung auf die anstehende Desinfektion sagt er: 'Die Leute sollen ruhig kommen. So eine saubere Hütte kriegen die nie wieder.'

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