Heimatbund: Zeugnisse der Vergangenheit gefährdet. Von Verena Stitzinger Eglofs/Füssen/Marktoberdorf/Weiler'Jeden Tag geht etwas Unwiederbringliches verloren', bedauert Karl Stiefenhofer, Vorsitzender des Allgäuer Heimatbundes den schlechten Zustand vieler Gemeindearchive. Die Zeugnisse der Vergangenheit sieht er in unverantwortlicher Weise gefährdet: Die alten Urkunden liegen demnach oft völlig ungeordnet in feuchten Kellern oder auf brandgefährdeten Dachböden. Es gebe aber auch positive Beispiele: So wird in Füssen nun eine Fachkraft zur Betreuung des Stadtarchivs eingestellt.
'Vor zwei Jahren habe ich in einem Antiquariat Gemeinderatsprotokolle von 1890 gefunden', schildert der Vorsitzende des Heimatbundes. Er war schockiert, dass die Schriften dorthin gelangten. Die Dokumente lägen oft auf Dachböden, manchmal im Bauernhof eines ehemaligen Bürgermeisters. Wenn da ausgeräumt werde, landeten die Urkunden bei Händlern oder auf dem Flohmarkt.
'Die Gemeinden müssen sich besser um ihre Archive kümmern', betont Stiefenhofer. Sonst gehe der schleichende Prozess der Zerstörung weiter. Zudem könnten so unordentlich aufbewahrte alte Schriften von Bürgern, die beispielsweise Ahnenforschung betreiben wollten, nicht eingesehen werden. Neidvoll blickt Stiefenhofer nach Baden-Württemberg: 'Dort pflegt ein Kreisarchivar die Gemeindearchive.' Hier gebe es dieses Amt nicht, die Gemeinden seien auf sich gestellt.
'Nach dem Bayerischen Archivgesetz von 1990 müssen die Gemeinden ihre Archive im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit pflegen', erläutert Albert Ott, ehrenamtlicher Archivpfleger im Ostallgäu. Doch das, sagt Ott, sei ein 'Gummiparagraph'. Die Bürgermeister wüssten genau, dass sie nicht in die Pflicht genommen werden könnten, wenn sie sich auf beschränkte Mittel berufen.
Besonders schlimm sei es in Gemeinden, die im Zuge der Gebietsreform zusammengelegt wurden. 'Es kommt auf das Interesse des Bürgermeisters an', meint Ott. In Schwangau und Ruderatshofen beispielsweise sei alles in Ordnung. 'Aber bei 80 Prozent der Gemeinden sieht es aus wie in einer Rumpelkammer.'
Und nun kommt ein neues Problem hinzu: Wie Ott schildert, war für kleine Gemeinden bisher ein Betreuung durchs Augsburger Staatsarchiv möglich. Die Urkunden würden nun aufgrund von Sparmaßnahmen zurückgegeben: Vor Ort aber fehlten geeignete Lagerräume für die Schriften bis aus dem 14. Jahrhundert. Ott befürchtet, dass die historischen Zeugnisse dadurch unwiderbringlich verloren gehen werden.
Wertvolle Bestände
Besser sieht es dagegen offenbar in größeren Orten und Städten im Allgäu aus. 'Wir haben sehr wertvolle Bestände', schwärmt der Füssener Kulturamtsleiter, Thomas Riedmiller über Stadt- und Klosterarchiv mit Urkunden bis aus dem 12. Jahrhundert. Stiefmütterlich würden die Archive nicht gerade behandelt, aber es gebe Handlungsbedarf. Deshalb soll eine neue Fachkraft vor allem die öffentliche Zugänglichkeit verbessern. Auch in Weiler gibt es einen hauptamtlichen Archivar: 'Das Archiv ist bei uns in guten Händen', sagt Ortsheimatpfleger Gerd Zimmer.