Der Landkreis ist ein trauriger Spitzenreiter bei der Unfallstatistik 2016, die das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West nun veröffentlicht hat. Von allen neun Landkreisen und kreisfreien Städten im Präsidiumsbereich ist die Anzahl der Verkehrsunfälle nirgendwo so stark gestiegen wie im Unterallgäu.
3494 Unfälle sind hier im vergangenen Jahr der Polizei gemeldet worden. Das sind 257 mehr als im Vorjahr - oder prozentual ausgedrückt: ein Plus von 7,9 Prozent. Eine Erklärung dafür hat die Polizei nicht. 787 Menschen wurden bei Unfällen im Unterallgäu verletzt.
Auch die Anzahl der Verkehrstoten ist nirgendwo sonst im Präsidiumsgebiet so groß wie im Unterallgäu: 17 Menschen ließen bei 13 Unfällen im vergangenen Jahr ihr Leben auf den Straßen im Landkreis. Besonders in Erinnerung geblieben sind dabei der Unfall auf der A 96, bei dem im September zwei Menschen in ihrem Auto verbrannten, und der Unfall im November, wo ein vollbesetztes Auto bei Markt Rettenbach gegen einen Baum krachte und vier der fünf jungen Männer darin starben.
Die meisten tödlichen Unfälle ereigneten sich außerhalb geschlossener Ortschaften: Von den 55 Verkehrstoten im Präsidiumsgebiet starb der Großteil der Verkehrsteilnehmer auf Landstraßen - neun Menschen ließen auf der Autobahn ihr Leben.
Im ganzen Präsidiumsbereich kam es im vergangenen Jahr zu 26 772 Verkehrsunfällen, zu denen die Polizei gerufen wurde. Das sind im Durchschnitt 73 pro Tag - vom einfachen Blechschaden bis hin zu komplexeren Szenarien mit mehreren Verletzten oder gar Toten. Verglichen mit dem Vorjahr ist die Anzahl der Verkehrsunfälle fast gleich geblieben (2015: 26 372), ebenso die Zahl der Verletzten.
Die Anzahl der tödlich Verunglückten ist jedoch gestiegen: von 50 auf 73. In den Jahren 2012 bis 2015 lag diese Zahl kontinuierlich zwischen 48 und 50, wie die Polizei mitteilt. Warum das Jahr 2016 so viele Todesopfer forderte, kann sich auch die Polizei 'trotz intensiver Analyse' nicht eindeutig erklären. Ein Grund könnte jedoch daran liegen, dass Verkehrsteilnehmer unaufmerksam sind.
In der Analyse der tödlichen Unfälle zeigte sich laut Polizei, dass es häufig dazu kam, weil ein Wagen die Fahrspur verlassen hatte und in den Gegenverkehr oder gegen ein Hindernis am Fahrbahnrand prallte. Warum die Fahrer die Spur nicht halten konnten, könne im Nachgang nicht mehr belegt werden.
Die Polizei vermutet jedoch in 'nicht wenigen Fällen', dass der Fahrzeuglenker nicht genügend bei der Sache war. 'Momente der Unaufmerksamkeit können dramatische Folgen haben', sagt Polizeipräsident Werner Strößner. 'Es darf nicht sein, dass sich Fahrzeugführer während der Fahrt mehr mit dem Multimediasystem, dem Navigationsgerät oder dem Smartphone beschäftigen als mit den Geschehnissen im Straßenverkehr.' Strößner appelliert, solche Geräte während der Fahrt nicht zu bedienen.
Die Polizei leiste zwar viel Aufklärungsarbeit und verfolge festgestellte Verstöße konsequent. 'Die wichtigste Prävention ist aber die Einsicht eines Jeden', hob der Polizeipräsident hervor.
Die häufigste belegte Unfallursache war bei 23 Prozent aller Fälle ein Fehler beim Abbiegen, Wenden oder Rückwärtsfahren. In 13,4 Prozent der Unfälle hatte jemand die Vorfahrt verletzt, bei 12,5 Prozent kamen Verkehrsteilnehmer auf die Gegenfahrbahn. Weil der Sicherheitsabstand nicht eingehalten wurde, passierten 9,4 Prozent der Unfälle.
In 8,9 Prozent waren die Fahrer zu schnell unterwegs. Fehler beim Überholen waren die Ursache für 4,9 Prozent aller Unfälle; Alkohol und/oder Drogen spielten bei 2,6 Prozent eine Rolle. Die Polizei vermutet Unaufmerksamkeit als weiteren Faktor, warum Unfälle passieren. 'Wir wissen zwar, dass jemand zum Beispiel auf die Gegenfahrbahn gekommen ist und erfassen das auch statistisch', sagt Polizeisprecher Christian Eckel. 'Aber die Gretchenfrage ist: Warum?'
Viele Fahrer seien abgelenkt: vom Handy, vom Kind, vom Tier im Auto. Von der Zigarette, die sie rauchen. Vom Kaffee, den sie trinken. Vom Laptop, mit dem sie während des Autofahrens ihr 'mobiles Büro' betreiben. Oder schlichtweg auch von den eigenen Gedanken - an die Arbeit, das Privatleben oder was auch immer. In diesem Jahr will die Polizei erstmals den Faktor 'Unaufmerksamkeit' bei Unfällen erfassen.
Eine gute Nachricht gibt es immerhin in der Statistik: Die Zahl der bei Unfällen verletzten Verkehrsteilnehmer liegt mit präsidiumsweit 5687 Personen unter dem Niveau des Vorjahrs - hier verzeichnete die Polizei einen Rückgang um 0,3 Prozent. Bis 2003 lag dieser Stand noch bei deutlich über 6000 Verletzten, wie die Polizei mitteilt.
Während sich weiterhin weniger Motorradfahrer Verletzungen zuzogen (2016: 463), steigt die Zahl der verletzten Radler seit Jahren kontinuierlich an auf insgesamt 1335. Die Polizei vermutet, dass es auch daran liegt, dass Radeln immer beliebter wird. 339 Fußgänger sind bei Unfällen im Südwesten Schwabens im Jahr 2016 verletzt worden.
Die Zahl der bei Unfällen tödlich verletzten Fußgänger ist auf den höchsten Stand der vergangenen zehn Jahre gestiegen: Ein Dutzend Fußgänger starb 2016 auf den Straßen im Gebiet des Polizeipräsidiums.
Die größte Wahrscheinlichkeit, in einen Unfall verwickelt zu werden, ist übrigens am Donnerstag und Freitag, jeweils zwischen 16 und 19 Uhr. Zudem haben erwartungsgemäß Witterungs- und Straßenverhältnisse einen wichtigen Einfluss darauf, wie viele Unfälle passieren - gerade Schnee und Laub spielen hier eine Rolle.
Zum Schluss noch eine weitere gute Nachricht: Die meisten Unfälle gehen glimpflich aus. Die sogenannten Kleinunfälle, bei denen gar keine qualifizierte Unfallaufnahme erfolgt und kein Bußgeldverfahren eingeleitet wird, stellen mit mehr als 55 Prozent den Großteil der Unfälle dar, die die Polizei erfasst.