"Deutsche gehen öfter zum Arzt." So das Ergebnis des am Dienstag veröffentlichten Barmer GEK Arztreportes 2010. Und auch Erfahrungen hiesiger Ärzte belegen: Es lässt sich ein deutlicher Anstieg bei den Patientenzahlen erkennen.
Weniger Zeit für den Einzelnen
So beispielsweise bei Dr. Markus Strieder, Sprecher der Marktoberdorfer Ärzte. Er könne zwar nicht bestätigen, dass jeder Patient tendenziell öfter zu ihm komme, doch die Anzahl an Patienten sei insgesamt deutlich gestiegen. Eine Tendenz, die nicht nur den Marktoberdorfer Allgemeinarzt nachdenklich stimmt: "Durch die wachsende Anzahl an Patienten bleibt uns für den Einzelnen tendenziell weniger Zeit. Das ist sehr schade. Denn ich habe mich als Arzt für eine eigene Praxis entschieden, um mehr Zeit für meine Patienten zu haben und sie nicht, wie in Kliniken oft alltäglich, möglichst schnell durchzuschleusen."
Dabei sind die Gründe für die steigende Patientenzahl vielfältig: Dr. Carsten Ottenthaler, ebenfalls Allgemeinmediziner in Marktoberdorf, führt den Zuwachs maßgeblich auf die demografische Entwicklung zurück: Einerseits werden Menschen immer älter, andererseits leben immer mehr Menschen allein. Der Arzt wird so zur Anlaufstelle. Zudem, so der Marktoberdorfer Hautarzt Dr. Georg Mooser, begünstigen auch die Kassen den Anstieg an Patienten: "Dadurch, dass bestimmte Vorsorgeuntersuchungen, wie etwa das Hautkrebsscreening, stark beworben werden, steigt bei den Menschen auch die Nachfrage nach diesen Leistungen."
Vor allem aber sei ein Anstieg der sogenannten psycho-somatischen Erkrankungen für die höhere Patientenzahl verantwortlich: "In unserer Gesellschaft und speziell am Arbeitsplatz stehen Menschen enorm unter Druck. Diese Belastung wirkt sich letztlich auch auf die Gesundheit des Menschen aus", erklärt Dr. Robert Martin, Allgemeinarzt aus Ruderatshofen. Und Dr. Ottenthaler ergänzt: "Vor allem durch die Wirtschaftskrise hat sich der psychische Druck auf viele Menschen verstärkt. Auch deshalb steigt die Zahl der Patienten."
Ob psycho-somatische Erkrankungen tatsächlich zunehmen, oder diese Krankheiten, wie Psychotherapeutin Dr. Irma Pachner-Knoll betont, nur häufiger diagnostiziert werden, ist umstritten. Sicher ist jedoch: Die Zahl an Patienten steigt auch in unserer Region - sowohl bei Allgemeinärzten, als auch bei anderen niedergelassenen Medizinern.
Darauf müssen die Ärzte reagieren: Sei es durch eine knappere Bemessung der Untersuchungszeit, eine stärkere Einbindung der Arzthelferinnen oder dadurch, dass - wie bei Dr. Ottenthaler der Fall - die Behandlung bestimmter Krankheitsgruppen, wie etwa Suchtpatienten, eingestellt werden muss.
Wichtig, Vertrauen zu gewinnen
Doch insbesondere Hausärzte verlieren so eine wichtige Funktion: "Wir können nur dann ein langfristiges Vertrauensverhältnis aufbauen, wenn wir uns für die Patienten auch in Zukunft Zeit nehmen. Davon profitieren alle, denn wenn sich die Menschen bei uns gut aufgehoben fühlen, kommt es nicht zum sogenannten Ärztehopping und unnötige Doppeluntersuchungen werden vermieden", betont Dr. Strieder.