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Wollverrückte in alter Spinnerei

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Wollverrückte in alter Spinnerei

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    Karolina und Franz Greber setzen auf Vermarktung und Verwertung ihrer Naturprodukte. Von Christine Rothauscher Betzigau-Hochgreut 'Hochgreut 50' ­ diese Adresse birgt ein Idyll: Ein Bach plätschert dort, ein Windrad dreht sich neben einer Halle. Seit Firmenchef Georg Mayensohn starb, blieben die Türen der 'Wollspinnerei Mayensohn' verschlossen. Jetzt allerdings gehen sie ab und zu auf, wenn die Schafzüchter Karolina und Franz Greber ihre Rohwolle zu Vlies verarbeiten.

    Der schnauzbärtige Mann, der die Hallentüre öffnet, nennt sich selbst 'ein wenig wollverrückt'. Und 'wollbestückt' möchte man hinzufügen, beim Anblick der unzähligen Flusen, die von Kopf bis Fuß an ihm hängen. Die stören ihn freilich genau so wenig wie seine Ehefrau Karoline, die ein paar Schritte weiter mit der gleichen flauschigen Verzierung an einer Kardiermaschine steht. 'Des g\'hört zum Handwerk' lacht sie und setzt mit einem Knopfdruck 14 Eisenwalzen in Bewegung.

    Jetzt heißt es, büschelweise die gewaschene Rohwolle vorne einzugeben und am anderen Maschinenende die gekämmten und lockeren Vliesplatten von einer mit zahlreichen feinen Nägeln bespickten Walze herunter zu nehmen. 'Früher mussten die Bauern die Wolle in mühsamer Handarbeit mit zwei Kardätschen kämmen, ehe sie weiter verarbeitet werden konnte', erklärt Franz Greber.

    Nun nimmt er selbst zwei dieser Kardätschen, die wie eine Art Viehstriegel aussehen, in die Hand. Nach jeweils 100 Kilogramm maschinengekämmter Wolle reinigt er damit die Walzen von zurückgebliebenen Wollfasern. 'A schwere Arbeit' gibt er zu, doch leicht haben es die Wollspezialisten mit ihrem Beruf sowieso nie gehabt. Vor 14 Jahren belebten sie den stillgelegten Heimathof im Westallgäu mit der Anschaffung von zwei Schafen und einem Spinnrad wieder. Inzwischen weiden dort 20 Mutterschafe mit ihren Lämmern.

    'Das Problem der Wollverwertung war zunächst nicht gelöst', erzählt Karolina Greber. Bis heute übt ihr Ehemann deshalb seinen Beruf als Bäcker halbtags aus ­ das zweite Erwerbs-Standbein. Das erste Standbein der Grebers ist allerdings die Selbstverwertung und Vermarktung der Schafwolle.

    Im Dachbodenstüble der seit kurzem angemieteten Halle in Hochgreut sind einige Eigenprodukte ausgestellt: gewalkte, wasserdichte Filzhüte und Botschen (Pantoffeln), Sockenwolle, Bälle und Kuschelschäfchen.

    'Für uns ist es schön, in dieser alten Wollspinnerei arbeiten zu können', sagt Franz Greber. Jeden Montag fährt er mit seiner Ehefrau Karolina aus Maleichen bei Gestratz ins rund 50 Kilometer entfernte Hochgreut, um Wagenladungen voller Rohwolle von der eigenen Herde sowie 'Auftragswolle' von Züchtern zu kardieren. In diesen Stunden dröhnt das dumpfe Rollen der 100 Jahre alten Maschinen durch die Halle und die Luft ist erfüllt von herumfliegenden Wollflusen.

    Dass die beiden 'Wollarbeiter' davon fast 'eingesponnen werden, stört sie nicht. Warum auch, sagt Karolina Greber, 'wie gesagt, wir sind ja eh ein bisschen wollverrückt.

    i Näheres über Schafzucht und Rohwollverarbeitung und Öffnungszeiten in der Hochgreuter Kardiererei, ist über die Telefonnummer 0 83 83/73 84 zu erfahren.

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