Von Veronika Krull|Oberstaufen-WiedemannsdorfNachdem der einheimische Lehrer Carl Hense seinen 31. Geburtstag gefeiert hatte, fasste er zwei folgenschwere Entschlüsse: Er heiratete und gab seinen Beruf auf. Fortan kümmerte er sich um das Sägewerk der Schwiegereltern und erwarb vom bayerischen König eine 'personelle Conceßion für die Kleinkrämer Gerechtsame zu Kirchdorf' (Gemeinde Oberstaufen). Das war 1837. Genau 90 Jahre später war es sein Enkel Albert, der mit der Gründung einer Handweberei dem Unternehmen eine völlig neue Richtung wies.
Munter fahren die stattlichen 'Schiffe' hin und her, führen den füllerdicken Wollfaden durch die eng gespannten Garnreihen: Man sieht den ein Meter dreißig breiten Läufer förmlich wachsen. Nach etwa 45 Minuten sind drei Meter fertig. Zwei Webstühle weiter entsteht ein kleiner Teppich mit Mustern: Hier werden verschiedenfarbige Fäden fein säuberlich von Hand gelegt - und die Arbeitszeit wird sich gut und gerne verdoppeln.
Hannelore Hense, 51, geht gerne durch ihren Betrieb, die letzte große vollstufig arbeitende Handweberei in Deutschland. 1988 hatte ihr Mann Arnfried Hense, ein Enkel des Firmengründers, das Unternehmen übernommen. Er führte die Weberei geschickt durch schwierige Zeiten, in denen auch Kurzarbeit angeordnet werden musste. 'Aber', betont Hannelore Hense, 'betriebsbedingte Kündigungen hat es nie gegeben'. Damit folgte der Familienbetrieb den sozialen Prinzipien des Firmenpatriarchen Albert Hense, der 1927 in den Nachkriegsjahren vor allem ein Ziel hatte: 'Ich will meinen Thaler Mitbürgern Arbeit und Brot geben.'
Als Arnfried Hense 2002 unerwartet starb, beschloss die gelernte Hotelfachfrau Hannelore Hense, ins kalte Wasser zu springen: 'Ich fühlte mich meinem Mann gegenüber verpflichtet.' Sie belegte Abendkurse, lernte mit Excel und Word umzugehen. Doch ohne ihre 20 Mitarbeiter, die 'zu tausend Prozent hinter mir standen', hätte sie es nicht geschafft, gibt die Unternehmerin unumwunden zu.
Heute ist sie stolz auf die Entwicklung in den vergangenen fünf Jahren: So erwebte sich der Betrieb 2006 ein Umsatzplus von zwölf Prozent. 'Für diese Branche eine bemerkenswerte Entwicklung', kommentiert Hense.