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Wo die Kühe noch Weidegang haben

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Wo die Kühe noch Weidegang haben

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    Wo die Kühe noch Weidegang haben
    Wo die Kühe noch Weidegang haben Foto: beckmann

    Von Markus Frobenius |KemnatWenn im Mai die Wiesen oberhalb des Ölmühlhangs im saftigen Grün stehen, treibt Landwirt Willi Rütlin seine Kühe die Kemnater Straße hoch und auf die Weide. "Das gibt dann immer eine große Freude. Aber genauso groß ist das Geschrei, wenn sie ab November nicht mehr raus dürfen", erzählt Rütlin. Doch bis dahin laufen er, seine Frau Heidemarie und manchmal auch Sohn Marcus vor 17 Uhr den Berg hoch, um die Kühe in den Stall zu treiben.

    Wer aus beruflichen Gründen um die Uhrzeit dort entlang fährt, muss sich also etwas gedulden und auch mal durch rutschige Kuhfladen fahren. Selbst im schummrigen Herbst, wenn Rütlin oder seine Frau mit Lampen die Tiere ein- oder austreiben, gebe es keine Probleme. "Ich habe verständnisvolle Nachbarn. Da sagt keiner etwas", so Rütlin. Nur einen Zwischenfall habe es einmal gegeben, als ein Autofahrer zu dicht auf eine Kuh auffuhr und diese austrat - worüber sich der Fahrer auch noch beschwerte.

    Dass Kühe in der gesamten warmen Jahreszeit Weidegang hätten, werde heutzutage immer seltener. Zu große Herden, zu abgelegene Wiesen oder Höfe, die inzwischen von Straßen umgeben sind, seien die Ursache. Zugleich seien Bauern aber auch gezwungen, wirtschaftlich zu arbeiten: Wer seine Kühe ganzjährig im Stall halte, habe eben weniger Arbeit.

    "Viele Landwirte führen heute quasi einen industriellen Betrieb", meint Rütlin deshalb. Andererseits gibt es seit 2008 eine staatliche Förderung für drei Monate Weidegang, weshalb erste Bauern wieder umdenken. "Weidegang ist für die Tiere einfach gesünder", so Rütlin.

    Der 58-Jährige betreibt seinen Biohof zwar nur als Nebenerwerbsbetrieb, aber steckt viel Arbeit hinein. "Für mich sind die Kühe noch Tiere, zu denen ich einen Bezug habe." Morgens um vier Uhr steht er auf, da er tagsüber als Mechaniker arbeitet. Dann werden die 15 Stück Allgäuer Braunvieh, die noch Hörner haben, um sieben Uhr auf die Wiese getrieben und der Stall wird gesäubert. Am Nachmittag wird das Vieh wieder geholt und im Stall gemolken. "Bis 18 Uhr ist dann Melkzeit", so Rütlin. Mit zwei Anlagen wird eine Kuh nach der anderen gemolken.

    Zudem versorgt er die momentan fünf Kälber mit Frischmilch: "Ein Kalb kam kürzlich auf der Weide zur Welt. Das ist aber im Sommer normal", berichtet der Landwirt.

    Bei anderen Bauern kann sich die Melkzeit nach hinten verschieben, schließlich braucht nicht jeder so früh wie Rütlin aufzustehen. Außerdem muss noch frisches Wasser für die Vierbeiner auf die Weide gebracht, das Jungvieh versorgt werden oder es liegen Mäharbeiten an.

    Bis etwa 18 Uhr werden bei Rütlins noch die Melkanlagen gesäubert. Bei größeren Höfen kann das Ganze bis 20 Uhr oder länger dauern.

    Da neigt sich für Rütlin ein "harter Tag" dem Ende zu. "Das wird erst besser, wenn ich in Rente gehe. Aber die Kühe bleiben auch dann", betont er.

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