Blutige Schnittverletzungen als Mitbringsel von einem Badeausflug? Ohne Badeschuhe ging einst nichts: Massen von tierischen Eindringlingen machten das Badevergnügen im Bodensee durch ihre scharfkantigen Schalen lange Zeit zu einem verletzungsträchtigen Unterfangen. Wie damals in den 1960ern die Dreikantmuschel, so breitet sich heute der Große Höckerflohkrebs im Schwäbischen Meer rasant aus. Gerade einmal zwei Zentimeter groß, frisst und verdrängt der > (Killerkrebs) - wie er im Englischen genannt wird - einheimische Krebsarten. Inwieweit er und die anderen Neozoen das Ökosystem des Bodensees bedrohen, darüber sprachen wir mit Dr. Herbert Löffler, Wissenschaftler am Institut für Seenforschung (ISF) in Langenargen.
Herr Löffler, kann ein kleiner Krebs tatsächlich das Ökosystem des Schwäbischen Meeres ins Wanken bringen?
Herbert Löffler: Immer wenn neue Arten auftreten, muss mit Konsequenzen für die einheimischen Tiere gerechnet werden. Ob diese katastrophal oder bereichernd sind, das zeigt sich erst nach einem längeren Zeitraum. Als Gefahr für das gesamte Ökosystem des Bodensees kann man den Großen Höckerflohkrebs nicht bezeichnen. Er kann es aber unter Umständen durcheinanderbringen, weil er andere Krebsarten verdrängt. Auch wenn es über die Neozoen momentan keine Katastrophenmeldung gibt, muss das Thema sehr ernst genommen werden.
Wie gelangen die Eindringlinge in den Bodensee?
Löffler: Meistens hat der Mensch seine Hand im Spiel. Das kann unbeabsichtigt passieren: Die Wassertiere immigrieren zum Beispiel als blinde Passagiere an Wanderbooten. Ursache ist möglicherweise aber auch falsch verstandene Tierliebe, wenn Menschen ihren Aquarientieren etwas Gutes tun wollen und sie in die Natur freilassen.
Wann haben Sie die ersten Neozoen im Bodensee entdeckt?
Löffler: Wir schenken ihnen am Institut seit 2003 verstärkt Aufmerksamkeit. Damals sind erstmals der Große Höckerflohkrebs sowie die grobgerippte Körbchenmuschel in Erscheinung getreten. Besonders in den darauffolgenden drei Jahren erforschten wir das Auftreten neuer Tierarten im Bodensee in einem EU geförderten Projekt dann sehr intensiv.
Beeinflussen die Neuankömmlinge den Badebetrieb?
Löffler: In den 1960ern und 1970ern war das bei der Dreikantmuschel der Fall. Nach ihrem Auftreten 1965 gab es solch massenhafte Muschelvorkommen, dass man, um sich nicht zu verletzen, nur mit Badeschuhen ins Wasser gehen konnte. Das hat sich aber eingependelt. Momentan sind mir keine Einschränkungen für den Badebetrieb bekannt.
Was unternehmen Sie gegen die neuen Seebewohner?
Löffler: Wenn ein solcher Eindringling einmal im Gewässer ist, dann ist das Spiel schon verloren. Deswegen betreiben wir im Vorfeld Aufklärung und sensibilisieren die Menschen mittels Broschüren. Dort weisen wir unter anderem darauf hin, dass Aquarienbewohner auf keinen Fall in die freie Natur ausgesetzt werden dürfen.
Außerdem sind wir immer über Hinweise auf neue Tierarten dankbar, damit wir am Ball bleiben. Um Einschleppungen zu verhindern, ist auch die Internationale Wassersportgemeinschaft Bodensee (IWGB) aktiv und klärt Bootsbesitzer auf, wie sie ihre Boote gegen die blinden Passagiere schützen können: In einem Merkblatt gibt die IWGB beispielsweise Hinweise zum richtigen Einwassern am fremden Revier.