Memmingen/Unterallgäu (maj). - Aufbruch zu neuen Ufern oder Kanzlerdämmerung? Diese Frage wird zurzeit bundesweit heftig diskutiert, weil Bundeskanzler Gerhard Schröder sein Amt als SPD-Vorsitzender an Franz Müntefering abgeben will. Doch was sagt eigentlich die SPD-Basis dazu? Die Memminger Zeitung unterhielt sich darüber mit Sozialdemokraten aus unserer Region. Jacqueline Kronbügel, Vorsitzende der Jungsozialisten (Jusos) Memmingen-Unterallgäu: 'Wir begrüßen den Rücktritt von Gerhard Schröder als Parteivorsitzender. Da die SPD momentan in einer schweren Krise steckt, ist ein Wechsel an der Spitze unabdingbar.' Kronbügel glaubt, dass es für Franz Müntefering möglich sei, die SPD aus ihrer Krise herauszuholen und das Vertrauen nicht nur der Bürger, sondern auch der eigenen Partei-Mitglieder wieder zu gewinnen. Durch die Trennung der beiden Ämter werde es nun möglich sein, dass sich Schröder ganz auf seine Rolle als Kanzler konzentrieren und Müntefering wieder eine Politik der sozialen Gerechtigkeit anstreben könne. Insgesamt aber müsse nun eine Korrektur des politischen Kurses vorgenommen werden - hin zu mehr sozialem Frieden und Arbeitnehmerfreundlichkeit, meint Juso-Vorsitzende Kronbügel. Werner Häring, Fraktionsvorsitzender der SPD im Stadtrat: 'Das Tandem Müntefering-Schröder hat es im Kreuz, das Schiff SPD auf Kurs zu halten.' Deswegen hält Häring diese Lösung für gut. Mitnichten könne man nun vom 'Anfang vom Ende dieser Regierung' sprechen. Vielmehr geht der Fraktionsvorsitzende davon aus, dass die Regierungspolitik jetzt 'neuen Zug' bekomme. Wolfgang Nieder, Ortsvorsitzender der Memminger Sozialdemokraten: 'Ich glaube, dass durch die Ämtertrennung eine positive Entwicklung in Gang kommt.' Und das sei auch wichtig, damit nach hektischen Diskussionen endlich wieder Ruhe einkehre und man wieder nach vorne schauen könne. Das ganze Hickhack in der politischen Diskussion habe die Bürger ja schon ganz verrückt gemacht. 'Und das bereitet natürlich auch uns vor Ort Schwierigkeiten', erklärt der Ortsvorsitzende. Dennoch liefen der örtlichen Sozialdemokratie nicht die Mitglieder davon. Im zurückliegenden Vierteljahr habe es drei Austritte, gleichzeitig aber zwei Eintritte gegeben. Die stabile Mitgliederzahl im SPD-Ortsverein belaufe sich zurzeit auf knapp 300.
'Handwerkliche Fehler' Petra Beer, SPD-Stadträtin: 'Es ist zurzeit eine allgemeine politische Krankheit, nicht nur bei der Bundes-SPD, dass laufend eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird.' Ihr gefällt auch nicht, dass Bundespolitiker oftmals 'erst an die Öffentlichkeit gehen und dann nachdenken'. Das neue Führungsduo Schröder-Müntefering 'kann ich aber nicht schlecht finden', meint die SPD-Stadträtin. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Arbeit nun auf mehrere Schultern verteilt werde. Thomas Kästle, SPD-Stadtrat: 'Das war ein schlechtes Signal', bewertet er die Entscheidungen an der Spitze der Bundespartei. Generell seien in jüngster Zeit von der Bundesregierung 'gravierende handwerkliche Fehler' begangen worden. Es sei auch nicht akzeptabel, dass viele politische Entscheidungen zu Lasten der kleinen Leute gingen. Dennoch gibt er zu bedenken: 'Unter einer Unions-Regierung käme alles noch viel härter.'