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Wiedemann und Willisohn bilden ein harmonisches Duo von Klassik und Blues in Kempten

Konzert

Wiedemann und Willisohn bilden ein harmonisches Duo von Klassik und Blues in Kempten

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    Wiedemann und Willisohn bilden ein harmonisches Duo von Klassik und Blues in Kempten
    Wiedemann und Willisohn bilden ein harmonisches Duo von Klassik und Blues in Kempten Foto: manfred hagel

    Weshalb sollte es in der Musik anders zugehen, als im richtigen Leben? Auch in dieser Welt stößt man auf Vorurteile, auf Revierkämpfe und Intoleranz. Da rümpft der Klassiker die Nase über den Unterhaltungsmusiker und der Jazzer über den Schlagersänger.

    Betrachtet man unter dem Aspekt derartiger Animositäten den Abend im ausverkauften Schönen Saal der Kemptener Musikschule, dürfen erstaunt die Augenbrauen nach oben gezogen werden, bevor der erste Ton erklungen ist: Herbert Wiedemann trifft Christian Willisohn.

    Ein gebürtiger Allgäuer Hochschulprofessor mit Schwerpunkt Klavier an der Universität der Künste in Berlin reicht einem Münchner Blues- und Boogie-Pianisten zum gemeinsamen Konzert die Hand. Der Spezialist für Lieder- und Kammermusikabende im Zusammenspiel mit einem, der kein Problem damit hat, zu gestehen, dass er keine Noten lesen kann.

    Doch wie sagt Wiedemann: 'Notenanalphabet zu sein kann beim Blues und Boogie hilfreich sein, weil man die Phrasierung und Artikulation ohnehin nicht aufschreiben kann.'

    Noten hin, Noten her. Es ist ein Abend zweier bemerkenswerter Musiker auf Augenhöhe, die sich nur einmal zuvor zum Üben getroffen haben. Ein Abend auch, an dem es nicht darum geht, welche Musikform nun die wertvollere ist. Was zählt ist der Zauber, den die Musik entfachen kann.

    Wenn Herbert Wiedemann den Minutenwalzer von Fréderic Chopin zum Besten gibt oder eine seiner Etüden, dann kann man als Zuhörer ähnlich genießen und sich bei geschlossenen Augen treiben lassen, wie wenn Willisohn üppig Blue-Notes greift oder seine typischen Ostinati in der linken Hand rollen lässt wie eine mächtige Flutwelle, die alles mitreißt.

    Liszt im Samba-Rhythmus

    Wer dann immer noch versucht, mehr Qualitätsmerkmale beim einen Musikgenre zu suchen, um das andere zu überflügeln, dem grätscht Wiedemann mit direkten Vergleichen dazwischen: Plötzlich entwickelt sich aus Franz Liszts Liebestraum Nr. 3 ein pfiffiger lateinamerikanischer Samba-Rhythmus mit ähnlicher Harmoniefolge. Eine Ecossaise, einst unter anderem von Beethoven oder Schubert für Klavier komponiert, mutiert nach wenigen Takten zum Ragtime.

    Immer dann, wenn Wiedemann und Willisohn gemeinsam in die Tasten greifen, um musikalische Grenzen im Handstreich zu verwischen, wird es besonders spannend. Zwei mit auffallend unterschiedlichem Anschlag, mit ungleicher Körpersprache, mit konträrem Interpretationsstil finden da zueinander. Das ist das wertvollste Fazit dieses Abends.

    Selbst wenn man bei dem ein oder anderen Stück das Gefühl hat, dass bei intensiverer Vorbereitung noch mehr Details und Feinheiten herauszuarbeiten wären.

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