Die Stadt Lindau ist stolz auf Herlinde Koelbl. Die in Lindau geborene Fotografin und Journalistin hat mächtige Menschen porträtiert und kleine Leute. Sie konzipierte viel beachtete Ausstellungen zu ihren fotografischen Langzeitstudien, veröffentlichte Bücher, drehte Dokumentarfilme und wurde mit bedeutenden Preisen ausgezeichnet. Die Inselstadt hat sich jetzt angeschlossen und der 70-Jährigen den Lindauer Kulturpreis verliehen. Was nicht zuletzt den Bewohnern Lindaus und der Region zugute kommt. Im Stadtmuseum ist bis 6. Juni eine zweiteilige Ausstellung Koelbls zu sehen: Sie zeigt ihre Arbeiten "Spuren der Macht" und "Schlafzimmer". Man sollte diese Gelegenheit nicht verpassen.
Herlinde Koelbl nimmt sich viel Zeit für ihre Arbeit. Sehr viel Zeit. Zuweilen Jahre. Ihre Studie "Spuren der Macht" hat sie 1991 begonnen - und noch nicht endgültig beschlossen. Auszüge dieses Werks zeigt sie in Lindau. Koelbl hat bedeutende Männer und Frauen begleitet, sie über Jahrzehnte immer wieder fotografiert, sie mit Mimik, Körpersprache und kurzen Zitaten sich selbst darstellen lassen. Diese Porträt-Zyklen zeigen sichtbare Spuren, die die Zeit hinterlassen hat - und hinter den Gesichtern die Spuren der Macht.
Angela Merkel als Staatsmännin
Heide Simonis, Renate Schmidt, Angela Merkel, Heinrich von Pierer, Joschka Fischer, Frank Schirrmacher und Gerhard Schröder bilden die Lindauer Ausstellung. Was hat diese Menschen so verändert, mag man sich fragen vor den 16- bis 20-teiligen Fotofolgen. Teilweise antworten die Abgebildeten selbst in Zitaten wie: "Indem ich die politische Rolle mehr annehme, verändere ich mich andererseits aber auch als Privatmensch. Ich bin nicht mehr so, wie ich war", Angela Merkel (1997).
Dieses Bekenntnis findet Entsprechung in den Fotos. Das Freche, ja Kokette hat die heutige Kanzlerin über die Jahre verloren. Aus einer neugierigen, ehrgeizigen jungen Frau ist eine überlegene Staatsmännin (!) geworden - deren Beherrschtheit mit der der Queen konkurrieren könnte.
Herlinde Koelbl bleibt bei ihrer Arbeit Journalistin, sie wahrt die respektvolle Distanz. Gleichzeitig schält sie durch die Konzeption ihrer Aufnahmen das tief Menschliche heraus. Ängste, Traurigkeiten, Selbstverliebtheit, Arroganz. Deutlich treten in einzelnen Biografien Brüche zutage, bei Gerhard Schröder etwa in den Jahren 1995/96, als er sich von seiner Frau Hiltrud trennte. Die Nachdenklichkeit nimmt hier überhand neben Schröders sonstiger Selbstzufriedenheit.Fast ist ein Hauch von Ratlosigkeit zu erahnen.
Olaf Henkel im Schlafzimmer
Bei ihren Bildern der Serie "Schlafzimmer", aufgenommen in den Metropolen dieser Welt, geht Koelbl ähnlich vor. Sie bleibt Beobachterin, kommentiert nicht, urteilt nicht über die Menschen, die ihr die Schlafzimmertür öffneten. Dennoch erschließt diese eine Szene unheimlich viel vom Leben des Porträtierten. Nicht nur, wie ein Mensch sein Schlafzimmer ausgestaltet beschreibt seine Persönlichkeit, sondern auch, ob er sich im Anzug stehend vor dem Bett (Olaf Henkel in Berlin) oder nackt Flöte spielend darauf sitzend (ein Akrobatiklehrer in New York) ablichten lässt, ob er das Bett als Zufluchtsort oder Funktionsmöbel ansieht - und nicht zuletzt, mit wem er es teilt.
Alle Fotografierten kommen auch selbst zu Wort. Und geben dem Betrachter berührende Einblicke in ihre Welten zwischen Moskau, Paris, Berlin und New York.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag und Sonntag von 11 bis 17 Uhr, Samstag von 14 bis 17 Uhr, am Dienstag, 20. und 27. April, von 11 bis 20 Uhr.