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Wie tickt ein Drogenkonsument? Hintergründe von einem Sozialpädagogen im Kemptener Drogen-Kontaktladen Talk Inn

Rauschgift

Wie tickt ein Drogenkonsument? Hintergründe von einem Sozialpädagogen im Kemptener Drogen-Kontaktladen Talk Inn

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    Wie tickt ein Drogenkonsument? Hintergründe von einem Sozialpädagogen im Kemptener Drogen-Kontaktladen Talk Inn
    Wie tickt ein Drogenkonsument? Hintergründe von einem Sozialpädagogen im Kemptener Drogen-Kontaktladen Talk Inn Foto: Stephan Michalik

    Am kommenden Montag beginnt einer der bedeutendsten Drogen-Prozesse im Allgäu. Angeklagt ist Armin N., der ehemalige Leiter der Kemptener Drogenfahndung. In seinem Spind wurden im vergangenen Jahr 1,8 Kilogramm Kokain gefunden. Er gab den Konsum von Kokain zu.

    Warum bemerkte niemand etwas? Was treibt Drogenkonsumenten an? Wie verhält sich jemand, der Drogen nimmt? Gerade im Fall eines hochrangigen Polizeibeamten stellt man sich solche Fragen.

    Irgendwann geht es nur noch um den Stoff, sagt Gerhard Zech. Der Sozialpädagoge erzählt von seinen Begegnungen und Erfahrungen mit Drogenabhängingen. Er kennt viele Schicksale von Betroffenen, weiß um die Geschichten von Drogenkonsumenten – im Talk Inn in Kempten betreut er Menschen, die nach illegalen Drogen, meist Opiaten wie Heroin, süchtig sind. Etwa 100 Kunden besuchen die Einrichtung regelmäßig.

    Lügen, sich verstellen, schauspielern, das gehört laut Zech zum Grundrepertoire von Drogennutzern. Es ist eine riesige Täuschungsmaschine, in der es am Ende auch immer darum geht, sich selbst zu hintergehen. Eingestehen will sich die Sucht kaum jemand. Und so versuchen viele Konsumenten den Schein zu wahren. Sie achten auf ein gepflegtes Äußeres, gehen gegen den blassen Teint ins Solarium, nehmen Tropfen gegen gerötete Augen.

    Das Klischee vom Drogenabhängigen, der wegen seiner Sucht weit hinter dem Existenzminimum lebt, alten Frauen die Handtasche klaut und über die Jahre hochverschuldet ist, trifft längst nicht auf alle Süchtigen zu. Prominente Beispiele von Drogenkonsumenten wie Christoph Daum oder dem SPD-Politiker Michael Hartmann zeigen, dass harte Drogen ein Problem sind, das sich durch alle Gesellschaftsschichten zieht.

    Führt der Konsument ein geregeltes Leben mit festem Arbeitsplatz und ansonsten "normalen" sozialen Strukturen, dann fallen Faktoren wie Beschaffungskriminalität oder hoher Schuldenaufbau und soziale Verwahrlosung weg. Zumindest eine Zeit lang. So kann man laut Zech mit sauberen Opiaten eine Weile recht gut leben. Außerdem glaubt Zech, dass die Gesellschaft bei Menschen in der Mitte oder am oberen Ende der Gesellschaft kaum auf Drogenkonsum achtet. Die schlechte Laune schieben die Menschen auf den Stress zuhause und die Überreiztheit auf zu viel Arbeit. Oft wollen nähere Bekannte das Problem nicht sehen.

    Das Problem Sucht

    Das Problem ist die Sucht selbst: Das ist ein sehr unangenehmer Lebensstil. Sucht ist körperliche und meist auch psychische Abhängigkeit, sagt der Sozialpädagoge. Menschen, die nach illegalen Drogen süchtig sind, werden von den Justizbehörden gejagt. Drogen sind am Anfang des Konsums vielleicht noch witzig und spaßhaft, aber das hört sehr schnell auf. Wer das realisiert, dem helfen Gerhard Zech und seine Kolleginnen im Drogenkontaktladen Talk Inn. Hierher kommen Menschen, die ihr Suchtproblem erkannt haben. Zum Reden, für die Akzeptanz. Manche müssen dort auch ihre Grundbedürfnisse erfüllen, weil sie sonst keine andere Möglichkeit haben. Im Talk Inn können Süchtige duschen, Wäsche waschen, sich ausruhen, kochen und essen.

    Der Hauptwunsch der Menschen ist, erst Mal in Ruhe gelassen zu werden, sagt Zech. Wir wollen hier einen Raum schaffen, in dem die Leute über ihre Zukunft nachdenken können. Am Anfang geht es in den Gesprächen die Gerhard Zech mit seinen Besuchern führt auch nicht um Suchthilfe, sondern um Banalitäten. Wir müssen erst Vertrauen aufbauen, bis wir irgendwann über Verbesserungen für den Süchtigen sprechen können. Und selbst dann weiß der Sozialpädagoge nicht, ob seine Kunden die Hilfe annehmen. Wichtig ist, dass wir es versuchen und dass wir nah am Menschen dranbleiben.

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