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Wie eine Amputation ohne Narkose

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Wie eine Amputation ohne Narkose

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    Wie eine Amputation ohne Narkose
    Wie eine Amputation ohne Narkose Foto: matthias mayer

    Kempten|mr| Jede zweite Ehe werde in der Großstadt geschieden, in ländlichen Gebieten auch schon jede dritte. Als 'verflixtes Ehejahr' gelte mittlerweile das sechste, und die Zahl der 'Oma-Scheidungen' (also wenn die Kinder aus dem Haus sind) nehme ständig zu. Doch hinter dieser Statistik, so Dr. Mathias Jung vor gut 120 Zuhörern im Kleinen Kornhaussaal, 'stecken menschliche Dramen.' Häufig komme die Trennung einer 'Amputation ohne Narkose' gleich, so der Paar- und Einzeltherapeut aus Lahnstein.

    Da sei es gut, wenn sich der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV) um die emotional aufgeladenen Paare kümmere, betonte Edith Frank, Leiterin der Bezirksstelle Füssen: 'Wir holen die Partner vom Baum runter und erklären in aller Ruhe vor allem die rechtliche Situation.' ISUV wolle beispielsweise mit Vortragsabenden auch in Kempten Fuß fassen.

    Warum gibt es in der heutigen Zeit so viele Scheidungen? Jung nannte den Wegfall von Traditionen und Werten : 'Es gibt keine fest gefügte Welt mehr.' 50,5 Prozent der Hochschüler seien Frauen, die damit auch privat mehr Unabhängigkeit erreichten, so der Referent. Paare würden freilich unter dem 'sich weiter ausbreitenden Manchesterkapitalismus' leiden, der den Menschen, auch in Sachen Mobilität, immer mehr abfordere.

    Professionelle Hilfe suchen

    'Klassische Beziehungskiller' sind für Jung Sprachlosigkeit, übermäßiger Alkoholgenuss und fehlende gemeinsame Aktivitäten. 'Gefährlich' könne es werden, wenn nach einer Geburt die Liebe nur aufs Kind gelenkt wird oder jemand 'sich einfach gehen lässt' und so dem Partner Respektlosigkeit signalisiert.

    Was tun, wenn die Beziehung noch gerettet werden soll? Jung rät zur professionellen Hilfe. Bewährt habe sich das monatliche, einstündige Zwiegespräch zu einem fest vereinbarten und ungestörten Zeitpunkt: Jeweils 20 Minuten würden dabei die Partner ohne Unterbrechung des anderen ihre Probleme und Wünsche vortragen. Und zwar mit 'Ich'-Botschaften, nicht mit dem anklagenden 'du'. Der Rest der Stunde gehöre dem Dialog.

    Und noch einen Rat hatte der Therapeut: An sich arbeiten. 'Denn nur wer sich selber mag, kann auch andere lieben', betonte Jung.

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