Geht es um die Kormorane am Bodensee, wird es ziemlich schnell politisch. Während sich etwa Naturschützer über die erholten Bestände des Vogels freuen, ärgern sich die Berufsfischer über die Konkurrenz aus der Luft. Die Jagdvögel fressen mittlerweile eine beachtliche Menge Fisch. Weil der Bestand der Vögel immer weiter zunimmt und sie für manche Fischarten zum Problem werden, beschäftigen sie nun auch zwei Ministerien.
Kormoran-Management wird am Bodensee diskutiert
Diskutiert wird schon lange ein sogenanntes Kormoran-Management, das rund um den Bodensee gelten könnte. Wie genau dem Vogel Einhalt geboten werden soll, das ist auch nach einem fast einjährigen Dialogprozess mit 70 Einzelgesprächen, vier ganztägigen Foren und mehr als 80 Konsensformulierungen noch nicht klar.
Der Dialogprozess "Kormoran und Fisch" war im September abgeschlossen worden. Angeschoben hatten ihn das Landwirtschafts- und das Umweltministerium Baden-Württemberg. Zwischen Anrainerstaaten, Jagd-Experten, Naturschützern und Fischern wurde diskutiert. Eine Handlungsempfehlung ist dabei aber nicht herausgekommen.
Pilotprojekt soll entwickelt werden
Wie Managementmaßnahmen konkret aussehen könnten, soll nun in einem Pilotprojekt mit allen Akteuren am Bodensee erarbeitet werden. Das Projekt müsse nun definiert und entwickelt werden, erklärt ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums. Das Projekt solle umfangreich und langfristig werden. Dafür solle ein Antrag erarbeitet werden.
Mit einem eigenen Antrag für ein Kormoran-Management am Bodensee ist der SPD-Politiker Hans-Peter Storz im September im Landtag gescheitert. Dass der Kormoran natürlich Probleme mache, sei allen klar, sagt der SPD-Abgeordneten aus Singen. "Doch man hütet sich tunlichst davor, irgendwelche Konsequenzen daraus abzuleiten."

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Zugvögel fressen halbes Kilo Fisch am Tag
Die Auswirkungen des Jagdvogels am Bodensee seien nicht von der Hand zu weisen. Gerade die Äsche sei bei ihm sehr beliebt. Der Fisch laiche im Flachwasserbereich des Sees und sei somit für den Kormoran leichte Beute. Gut ein halbes Kilo Fisch können die dunklen Zugvögel laut Experten am Tag verspeisen.
Die Zahl der Kormorane steigt laut Fischereiforschungsstelle Baden-Württemberg immer weiter an. "In der größten Kolonie am Bodensee stieg die Anzahl der Brutpaare in diesem Frühjahr/Sommer auf circa 800 an", berichtet Expertin Julia Gaye-Siessegger. "Bei einem Bruterfolg von zwei und einem gewissen Anteil an nichtbrütenden Vögeln lag die Gesamtzahl allein in dieser Kolonie bei rund 4.000 Kormoranen."
Sind Kormorane für Rückgang der Felchen mitverantwortlich?
Ein Eingreifen sei bitter nötig, sagen vor allem auch die Berufsfischer. Der Vogel hole jährlich tonnenweise Fisch aus dem See. Die Fischer machen den Kormoran auch für den enormen Rückgang der Felchen mitverantwortlich. Das im Sommer von der Internationalen Bodensee-Konferenz (IBK) beschlossene mehrjährige Fangverbot für Felchen werde den Bestand nicht retten, ohne ein entsprechendes Kormoran-Management. Naturschützer und Forscher messen dem Kormoran in diesem Punkt aber keine Bedeutung zu.
Den Bestand der Tiere managen könnte man etwa mit einem kontrollierten Abschuss. Am österreichischen Bodensee-Ufer wird das schon gemacht. "Um den Bestand des Kormorans aber am ganzen Bodensee zu begrenzen, ist eine länderübergreifende Lösung notwendig", betont Storz.
Auch eine Vergrämung mit Hilfe von Drohnen wird diskutiert. Diese könnten in den Gebieten, in denen die Vögel in den Baumkronen brüten, zu den Nestern fliegen und die Eier mit Öl besprühen, um so ein Ausbrüten zu verhindern. Es gibt auch Vorschläge, die echten Eier durch Gips-Eier auszutauschen. "Doch das alles wird immer wieder verworfen, weil die Naturschützer so eine große Macht haben", sagt Storz.
Kormorane sind EU-weit geschützte Art
Umweltschützer dagegen halten die Debatte um den Kormoran für zu einseitig. Der Kormoran sei eine EU-weit geschützte Art, sagt Eberhard Klein vom Nabu in Konstanz. "Weil er massiv bekämpft worden ist, war er vom Aussterben bedroht." Eine Abnahme des Bestands würde laut Klein den Fischer nicht nützen, sondern nur den Vögeln schaden.
"Wir haben eine tiefgreifende ökologische Veränderung am Bodensee, die dazu führt, dass sich die Fischbestände in einer Art und Weise entwickeln, wie wir es bisher nicht gekannt haben", sagt Klein. Dazu komme ein stückweit der Kormoran. "Aber die eigentlichen Ursachen sind die Klimaerwärmung, Veränderungen im Artengefüge und im Nährstoffgehalt."
Eine "Hetzjagd auf den Kormoran" würde nur dazu dienen, die Fischerei zu beruhigen, sagt Klein. Fischartenschutz müsse aber das Ziel sein. Dem Bestand der Äsche könne ein zeitlich begrenzter, punktueller Kormoran-Abschuss unter Umständen helfen. Dafür sei man offen. "Der Kormoran ist nicht mehr so stark gefährdet, dass es auf jedes Individuum ankommt."
Aber ein systematischer Abschluss hätte laut Klein auch Auswirkungen auf viele andere Vogelarten. Der Bodensee sei bedeutend im winterlichen Vogelschutz. Die Reduktion der Kormoran-Bestände könne nicht das Ziel sein. Der Kormoran bedeute nicht den Tod der Fischerei.