Eine Ernährungsumstellung kann möglicherweise helfen, den Gesundheitszustand von Krebspatienten zu verbessern und das Wachstum bösartiger Zellen einzudämmen. So kann laut Professor Ulrike Kämmerer von der Uniklinik Würzburg eine kohlenhydratarme und fettreiche Diät sich positiv auf das Befinden von Tumorpatienten auswirken. Kämmerer, die Grundlagenforschung für diese Thematik betreibt, stellte die so genannte "ketogene Ernährung" gestern bei einer Fachtagung in der Rehaklinik Überrruh bei Isny vor.
Eine Diät, die das Wachstum von Krebszellen aufhalten oder verlangsamen kann. Wie fundiert und seriös sind die Erkenntnisse über eine derartige Wirkung?
Kämmerer: Also es wäre zum jetzigen Zeitpunkt unseriös, über eine Anti-Tumor-Wirkung zu sprechen. Dies ist Gegenstand intensiver Forschung, doch noch nicht wissenschaftlich nachzuweisen. Es gibt jedoch starke Hinweise darauf, dass Tumore auf die ketogene Ernährung ansprechen und die Größe reduzieren. Diese Beobachtungen stimmen positiv. Fakt ist, dass diese Ernährungsform den drastischen Gewichtsverlust - ein häufiges ernsthaftes Problem von Krebspatienten - verhindern kann.
Auf welchen Erkenntnissen beruht die ketogene Ernährung?
Kämmerer: Krebszellen haben einen ausgeprägten Zuckerhunger. Sie können einen Großteil ihrer Energie nur durch die Vergärung von Zucker gewinnen, brauchen also sehr große Mengen an Glukose. Mit einer entsprechenden Ernährungsumstellung könnte man den Krebszellen folglich einen hohen Anteil Zucker entziehen und so ihre Energiegewinnung erschweren und ihr Wachstum beschränken. Die Umstellung auf eine kohlenhydratarme und fettreiche Ernährung - die so genannte ketogene Diät - könnte Tumorpatienten helfen.
Wer seine Essensgewohnheiten umstellen will, muss sich also an den Eskimos oder Massai orientieren
Kämmerer: Das ist richtig. Eskimos und Massai ernähren sich traditionell kohlehydratarm von Fisch, Fleisch und Milch. Das entspricht der ketogenen Ernährung, bei der 85 bis 90 Prozent der Energie aus Fett gewonnen und 8 bis 12 Prozent aus Eiweiß gewonnen wird. Am Tag dürfen maximal 25 bis 50 Gramm Kohlenhydrate zugeführt werden. Patienten dürfen also keinen Zucker und keine stärkehaltigen Lebensmittel wie Kuchen, Getreideflocken, Kartoffeln, Nudeln, Reis oder Brot essen. Auch Bier ist zum Leidwesen mancher Männer nicht erlaubt.
Was darf man denn essen?
Kämmerer: Viel Fleisch (oder für Vegetarier Tofu), Fisch, Nüsse und Fette wie Butter und Schmand. Wichtig sind Omega-3-haltige Fettsäuren wie sie in Lein-, Hanf-, Raps- oder Fischöl enthalten sind. Zu der Diät gehören auch Käse, Eier oder Blattgemüse.
Kann diese Form der Ernährung auch schaden?
Kämmerer: Nein, es steht außer Frage, dass sie die Lebensqualität von Krebspatienten verbessert. Es gibt quasi keine Nebenwirkungen. Dennoch würde ich Patienten raten, eine solche Diät keinesfalls zu beginnen, ohne vorher mit dem behandelnden Onkologen gesprochen zu haben.
Wann sind wissenschaftliche Erkenntnisse über diese Form der Ernährung bei Krebserkrankungen zu erwarten?
Kämmerer: Derzeit laufen weltweit vier große Studien zu diesem Thema, zudem eine Anwendungsbeobachtung an der Uniklinik Würzburg. Wenn es gut läuft, sollte es dieses Jahr noch drei Veröffentlichungen geben.
Prof. U. Kämmerer