Dunkle Materie im Weltraum ist eines der größten Rätsel der Physik. Professor Manfred Simon schaut tief ins Universum - weiter, als die Vorstellungskraft von Laien reicht. Der 69-jährige Astrophysiker aus Bodolz forscht unter anderem auf dem Gebiet der Dunklen Materie, von der niemand weiß, wie sie beschaffen ist. Mithilfe eines Satelliten wollen 40 Astrophysiker mehr herausfinden. Simon ist einer von ihnen. Worum es geht, erläutert er im Gespräch.
Materie, Antimaterie und Dunkle Materie: Was erforschen Sie?
Manfred Simon: Auf irgendeine Weise ist man immer bemüht, das Wissen um all diese Dinge zu erweitern. Schon vor 15 Jahren ergab sich die Idee, ein Experiment zu konzipieren, das wir in den Weltraum bringen und mit dem wir über längere Zeit die energiereichen Teilchen messen wollten. Diese Aufgabe hat seit drei Jahren der Satellit Pamela. Er befindet sich auf der Erdumlaufbahn, angedockt an einen russischen Erderkundungssatelliten.
Können Sie das konkretisieren?
Simon: Das ist sehr weitreichend, und wir erlangen durch diese Messungen Einblick in eine Vielzahl hochenergetischer Prozesse im Weltraum. Die Entwicklung der Sterne hängt eng damit zusammen. Das Entstehen und das Sterben eines Sternes ist mit gewaltigen Energieumsätzen verbunden. Wir können mit unseren Messungen die Folgen derartiger Explosionen studieren und damit Rückschlüsse ziehen - auch auf die weitere Entwicklung unseres eigenen Sonnensystems. Was aber gegenwärtig große Aufmerksamkeit auf unsere Messungen lenkt, ist der enge Bezug zur Dunklen Materie.
Was ist Dunkle Materie?
Simon: Die Materie, die im Periodensystem der Elemente beschrieben ist, finden wir in der Vielzahl der Himmelskörper, und wir kennen sie, denn sie formt die uns vertraute materielle Welt. In der wissenschaftlichen Welt gibt es aber schon seit fast 80 Jahren die Vorstellung, dass im Weltraum noch eine andere Art von Materie vorhanden sein muss. Man schließt dies aus der Dynamik großräumig angeordneter Himmelskörper. Unsere eigene Milchstraße zum Beispiel würde durch ihre Rotations-Fliehkräfte auseinanderdriften. Die Masse, die wir sehen können, reicht nicht aus, um sie zusammenzuhalten. Es muss also etwas geben, was der Gravitationskraft unterliegt und die Welt zusammenhält. Das ist die Dunkle Materie. Sie ist heute eine der größten Fragen in der Physik. Man sucht Antworten auf die Frage nach der Natur dieser Materie im Bereich der Elementarteilchenhysik wie auch in der Astrophysik.
Wie kann man mit irdischen Mitteln so etwas messen?
Simon: Man geht davon aus, dass die Träger dieser Dunklen Materie mit sich selbst in Wechselwirkung treten können und dabei neue Teilchen bilden, wie zum Beispiel Elektronen und Positronen. Diese Zerfallsprodukte kann man dann messen, und das Pamela-Experiment ist experimentell dazu in der Lage.
Hat es schon Ergebnisse gebracht?
Simon: Wir haben in der Tat eine erhöhte Häufigkeit von Positronen entdeckt und wir haben diese Ergebnisse im April 2009 in der angesehenen wissenschaftlichen Zeitschrift "Nature" veröffentlicht. Dies hat in der physikalischen und publizistischen Welt einen Riesenwirbel gemacht. Es gibt aber noch keinen eindeutigen Hinweis darauf, dass diese Beobachtung einen Schleier über die Natur der Dunklen Materie gelüftet hätte.
Es könnte auch eine rein klassische astrohysikalische Deutung dieser Beobachtung geben. Aber zurzeit ist diese Messung von außerordentlicher wissenschaftlicher Aktualität und Brisanz.
Was würde es bedeuten, wenn der Nachweis der Dunklen Materie gelingt?
Simon: Das wäre eine Sensation und für die Physik ein großer Durchbruch. Aber man muss vorsichtig sein mit Interpretationen, und die Vorsichtigsten sind die Wissenschaftler selbst.