Das Lindauer Amtsgericht hat gestern Nachmittag den Berliner Politik-Professor Peter Grottian vom Vorwurf freigesprochen, bei einem Vortrag über die Finanzkrise im Sommer 2010 in Lindau die etwa 70 Zuhörer dazu aufgefordert zu haben, eine Filiale der Deutschen Bank in Friedrichshafen zu besetzen und somit Hausfriedensbruch zu begehen.
Dazu gab es keine Beweise, und die 'reine Befürwortung solcher Aktionen ist keine Straftat', stellte Richter Jürgen Burkart klar. Viele hatten einen spektakulären Prozess erwartet: über 30 Zuhörer, ein Dutzend Journalisten aus Print, Funk und Fernsehen, dazu auf der Anklagebank der bundesweit bekannte Grottian, der bei der globalisierungskritischen Organisation Attac aktiv ist. Doch die etwa eineinhalbstündige Verhandlung verlief weitgehend nüchtern. Wer sich auf scharfe Rededuelle eingestellt hatte, wurde enttäuscht – und am Ende einigten sich Richter, Staatsanwalt und Rechtsanwalt ohne große Diskussionen auf einen Freispruch.
Es war wohl tatsächlich so, dass Grottian bei seinem Vortrag, den er auf Einladung der Attac-Regionalgruppe Lindau hielt, auf den bundesweiten Bankenaktionstag hinwies, der denn auch Ende September 2010 stattfand. Bundesweit wurden dabei einige Bankfilialen besetzt.
In Grottians Vortrag war wohl auch davon die Rede, dass Aktivisten die Bankfiliale in Friedrichshafen so lange besetzen, bis sie von der Polizei hinausgetragen werden – doch letztlich konnte Grottian nicht nachgewiesen werden, dass er die Zuhörer konkret dazu aufgefordert hatte, dies zu tun. Dass in diesem Zuge auch von Schokoladenpistolen die Rede war, war zwar ein Randaspekt, laut Richter aber nicht Gegenstand der Anklage.
Die Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren gegen den 69-Jährigen aufgrund eines Artikels in der Lindauer Zeitung über den Vortrag des Hochschullehrers eingeleitet und das Amtsgericht einen Strafbefehl über rund 4000 Euro erlassen.
Doch weder die als Zeugin geladene Verfasserin des Berichtes ('ich denke, es war als Appell gemeint'), noch Lothar Höfler von Attac Lindau, der den Abend organisiert hatte, konnten mit ihren Aussagen den Vorwurf der Anklage bestätigen.
Grottian selbst meldete sich erst nach den beiden auf Freispruch abzielenden Plädoyers der Anwälte zu Wort. Er verlas ein mehrseitiges, handschriftlich verfasstes Skript. Darin gab er zu verstehen, dass er mit seinem Vortrag den Zuhörern lediglich die ganze Bandbreite an Möglichkeiten aufgezeigt habe, sich in 'zivilem Ungehorsam' zu üben – eine Formulierung, die er mehrfach gebrauchte.
Dieser sei 'das Salz in der Suppe der manchmal faden Demokratie' und 'die letzte Möglichkeit, als Notschrei die Defizite der Demokratie zu korrigieren'. Als Beispiele nannte er nicht nur Stuttgart 21, sondern auch jenen Bankenaktionstag, der in 60 deutschen Städten tatsächlich auch stattgefunden hatte, 'alles gewaltfrei und friedlich' (Grottian). Keine einzige Bank hätte eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch gestellt. Er selbst habe die Zuhörer lediglich dazu aufgefordert, sich Gedanken zu machen, wie sie in ihrem Umfeld auch mal 'Nein' sagen könnten, wenn ihnen etwas nicht passt – in diesem Fall eben gegen das Finanzsystem. Der Strafbefehl sei deshalb 'ohne sorgfältige Prüfung aus der Hüfte geschossen' gewesen, kritisierte er abschließend.