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"Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, sterben Hausärzte aus"

Oberallgäu

"Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, sterben Hausärzte aus"

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    Kaum einer will mehr Hausarzt werden. Unter anderem deshalb schlug Bundesgesundheitsminister Rösler vor, den Numerus clausus für Medizinstudenten abzuschaffen. Das könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein, urteilt Dr. med. Paulus Eberle. Der 56-Jährige führt in Probstried eine Praxis für Allgemeinmedizin. Er liebt seine Arbeit, spricht aber andererseits von "miserablen Strukturen" im Gesundheitswesen, einer sehr langen und "knallharten Ausbildung" und einer für die große Verantwortung vergleichsweise bescheidenen Bezahlung. Er ist überzeugt: "Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, sterben die Hausärzte aus." Der Mediziner geht ins Detail.

    l Regressforderungen: Ärzte müssen damit rechnen, in Regress genommen zu werden für - nach gesetzlichen Vorgaben - zu viel verschriebene Leistungen. "Ich glaube, das betrifft fast jeden Allgemeinmediziner." Eberle selbst hat ein Verfahren wegen zu häufig verschriebener Ergotherapie am Laufen. Dabei geht es um eine fünfstellige Summe, die der Mediziner eventuell aus eigener Tasche nachzahlen muss - für Leistungen, die seinen Patienten zugute kamen.

    l Bürokratie: Eberle beklagt, dass es in den vergangenen Jahren "zehn Gesundheitsreformen und Hunderte von Gesetzesänderungen" gab.

    l Ausbildung: Normalerweise studiert ein Allgemeinmediziner mindestens sechs Jahre und durchläuft dann sechs Jahre verschiedene Fachbereiche (Assistenzarzt), bevor er seinen Facharzt für Allgemeinmedizin absolviert. Erst dann kann er sich mit einer Praxis selbstständig machen.

    l Bezahlung: In anderen Ländern - beispielsweise Irland - verdienen Allgemeinmediziner das Zehnfache eines Arztes in Deutschland. "70 Prozent aller Jungärzte gehen deshalb - und weil sie dort bessere Bedingungen vorfinden - ins Ausland," sagt Dr. Eberle. In Deutschland bekomme der Allgemeinmediziner maximal 70 Euro von der gesetzlichen Krankenkasse im Quartal für einen Patienten. "Und dies nur durch die neuen Hausarztverträge seit Mitte 2009." Vorher seien es maximal 30 Euro pro Quartal gewesen, egal wie oft der Patient behandelt wurde.

    "Kein Tag wie der andere"

    Eberle führt eine Ausbildungspraxis mit wechselnden Assistenzärzten. Es sei immer schwerer, solche jungen Ärzte zu finden, die zwei Jahre bleiben. Derzeit arbeitet Christian Grath mit in der Praxis. Nein, sagt der 34-Jährige, er bereut seine Berufsentscheidung nicht. Als Allgemeinmediziner ist er den Menschen auch persönlich nah, das sei interessant. "Und außerdem ist kein Tag wie der andere." Der junge Arzt hat keine Sorgen einmal arbeitslos zu werden. "Ärzte werden immer gebraucht." Gedanken über seine finanzielle Zukunft macht er sich angesichts der unsicheren Situation im Gesundheitswesen allerdings schon. "Gewisse Existenzängste gibt es bestimmt."

    Christian Grath hofft, dass er als Facharzt der Allgemeinmedizin in den nächsten Jahren eine Praxis übernehmen kann. Möglichkeiten sieht er - auch im Allgäu. Viele Allgemeinmediziner seien um die 60.

    "Alterspyramide abfangen"

    Ob die Ärzte allerdings Nachfolger finden, das bleibt fraglich. Dr. Rainer Gramlich, Vorsitzender des Hausärztevereins Oberallgäu, betont, dass die Hälfte seiner 90 Kollegen im südlichen Oberallgäu über 55 Jahre alt ist. Er betont. "Wenn wir die Alterspyramide nicht abfangen, ist unsere hausärztliche Behandlung gefährdet." Fürs Oberallgäu ist der 64-jährige Mediziner aber optimistisch. Er verweist auf Bestrebungen, in Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern in der Region junge Leute für die Medizin auf dem Land zu gewinnen.

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