Familientherapeutin zum Thema Gewalt: Gleichgültigkeit ist das Schlimmste Buchloe (ew).'Gewalt entsteht nicht von heute auf morgen', erklärte Familientherapeutin Gerda Ruppert beim Elternforum des Kinderschutzbundes und der Volkshochschule im Buchloer Jugendzentrum. Nur sechs Prozent der Jugendlichen neigen laut Ruppert wirklich zu Gewalt: 'Eine kleine Gruppe, die aber viele Mitläufer hat.'
Die Familientherapeutin beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Gewalt. 'Viele Eltern schütten in der Praxis ihr Herz aus und fragen um Rat. Denn bei manchen Jugendlichen geht es so weit, dass sie zu Hause randalieren und sogar Gewalt gegen die Eltern ausüben.' Immer wieder werde sie gefragt: Wieso machen sie das, sind sie verdorben?
Die Ursachen für diese Gewalt seien vielfältig, so Ruppert, vor allem die Modernisierung mache vielen Jugendlichen zu schaffen. So sei etwa die Verantwortung für die eigene Lebensgestaltung gestiegen. Die Menschen hätten auch mehr Freizeit, Geld und Mobilität. 'Früher gab es Traditionen und Vorbilder, die viel Halt gaben sowie Klarheiten, die akzeptiert wurden.' Nun aber fühlten sich die Kinder bei der Identitätssuche oft allein gelassen.
Jugendliche wollen der Referentin zufolge eingebunden sein, um sie werben die unterschiedlichsten Gruppen. Darunter auch solche, die die jungen Menschen auf negative Weise vereinnahmen. Sich dagegen zu wehren, sei schwierig: 'Lieber werden die Jugendlichen straffällig, bevor sie als Schwächlinge dastehen'.
Gewalt gelte meist als männlich und legitim in unserer Gesellschaft. Jugendliche erlitten aber auch an sich selbst Gewalt und Vernachlässigung, dadurch könne wiederum eine erhöhte Bereitschaft zur Gewalt entstehen. Auch die Gewalt in den Medien führe zu einer Abstumpfung bei Kindern.
'Wenn ich so zurückdenke', meinte eine Zuhörerin, 'war meine Familie für uns Kinder auch nicht immer da. Wir mussten viele Arbeiten übernehmen und zwischendurch gab es ein paar hinter die Löffel.' Auch früher sei nicht immer alles in Ordnung gewesen, bestätigte Ruppert. Wichtig für die Familie seien Gemeinsamkeiten 'und dass zusammen gelacht werden kann'. Warum Kinder noch zuschlagen, obwohl ihr Gegner bereits am Boden liegt, wurde die Referentin gefragt. 'Die Kinder sind meist in einer Art Rauschzustand', erläuterte Ruppert.
Schuld an vielen Problemen sei auch das zu hohe Freizeitangebot. Kinder wollten meist 'die Besten' sein und hätten keine Zeit mehr zu unverplantem Trödeln. Anerkennung und Wertschätzung durch die Eltern seien wichtig, letztere sollten ihre Anforderungen nicht immer höher schrauben, hieß es.
'Ich stoße an meine Grenzen, wenn die Freunde meines Kindes bei mir rauchen', klagte eine Zuhörerin. 'Eltern brauchen ihr Hausrecht, wo unbedingt Grenzen gezogen werden müssen', erklärte die Referentin dazu. Sie sollten sich die Mühe machen, mit den Jugendlichen ab etwa einem Alter von zehn Jahren über Rechte und Pflichten zu verhandeln und Konsequenzen bei Missachtung festlegen. Jugendliche würden sich oft sogar strengere Eltern wünschen: 'Gleichgültigkeit ist das Schlimmste für Kinder.'