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Wenn einer eine Reise tut

Kaufbeuren

Wenn einer eine Reise tut

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    Wenn einer eine Reise tut
    Wenn einer eine Reise tut Foto: beckmann

    Vor 130 Jahren war es noch richtig abenteuerlich, eine Lustfahrt von Kaufbeuren in die Berge zu unternehmen. Die nämlich machte der Lauinger Hochschulprofessor Paul Zenetti in seiner Jugend. 1880 war der damals 14-Jährige zusammen mit seiner Mutter und seiner Schwester Julie zu Besuch in Kaufbeuren bei seiner Großmutter, wobei sie im Hause des Onkels Albert Probst wohnten.

    Die Ferien 1880 hielt Zenetti in einem Tagebuch fest, aus dem eine seiner Enkelinnen der Allgäuer Zeitung einen Auszug überließ. Zenetti (1866 bis 1943) stammte aus einer angesehenen Familie aus dem italienischen Ravascletto. Der Name soll auf Bischof Zeno aus dem vierten Jahrhundert zurückgehen. Teile der Familie wanderten im 18. Jahrhundert nach Wertingen aus und gründeten dort eine Handelsgesellschaft, wobei einige Zenettis wie Johann Baptist (Regierungspräsident von Niederbayern) oder Wilhelm (Abt in St. Bonifaz in München) bekannt wurden. 1795 zog Joseph Anton nach Lauingen, wo Paul Zenetti geboren wurde, der sich als Professor, Autor und Geologe einen Namen machte sowie als Vorsitzender des Historischen Vereins in Dillingen maßgeblich an Ausgrabungen 1921/22 des Römerkastells "Bürgle" beteiligt war.

    1880 brach er von Kaufbeuren mit sieben Familienangehörigen auf, um das Oberammergauer Passionsspiel zu besuchen. "Der Onkel mietete von einem Lohnkutscher einen viersitzigen Landauer mit Kutscher und zwei Pferden. So fuhren wir an einem schönen Morgen zur Stadt hinaus", berichtet Zenetti. Er saß auf dem Bock und genoss "das schöne Alpenvorland" über Schongau nach Weilheim. Am zweiten Tag stieg der Onkel mit Zenetti und seinem Vetter um 4 Uhr auf den Peißenberg, "um bei herrlicher Witterung den Sonnenaufgang zu genießen". Von dort fuhr die Kutsche mit den Reisenden nach Murnau, wo nach einer Kahnpartie auf dem Staffelsee übernachtet wurde.

    Dann "ging es dem Hochgebirge entgegen". Doch zuvor wurde der Kutscher krank: "Als endlich der Arzt kam, meinte er, der Patient habe wohl zu viel getrunken." Ein Knecht aus Eschenlohe kutschierte die Gesellschaft aber wohlbehalten nach Oberammergau. "Damals gab es noch keinen Komfort der Neuzeit." Die Männer übernachteten im Dachgeschoss, während die Frauen über eine Leiter aus dem rußigen Herdraum in das obere Geschoss kletterten: "Entsetzlich", kommentierte die Tante. Der vierte Tag gehörte dem Passionsspiel, das "stark auf mich einwirkte, namentlich auch im Rahmen des bergigen Naturhintergrundes", erzählt Zenetti.

    Als tags darauf der Kaufbeurer Kutscher wieder eintraf, fuhren die Zenettis zunächst nach Hohenschwangau: Die Gesellschaft besuchte Schloss Hohenschwangau und warf einen Blick auf Neuschwanstein: "Anstelle des hoch aufragenden Schlosses sah man ein riesiges Gerüst, das auf den Steilwänden des Berges ruhte." Nach der vierten Übernachtung kehrte die Gruppe über Pfronten zurück nach Kaufbeuren. (fro)

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