Von Jochen Pelczer|KemptenFußball-Schiedsrichter haben es oft schwer. In hohen Spielklassen wird jede strittige Aktion von mehreren Fernsehkameras aufgenommen. Nach einem Spieltag wird meist mehr über die Entscheidungen der Schiedsrichter diskutiert als über das Spiel an sich. In unteren Klassen gibt es häufig Kritik von Aktiven oder selbsternannten Fußball-Experten. Da ist es schon verwunderlich, dass es immer wieder Menschen gibt, die sich der schwierigen Aufgabe stellen. In Kempten ist quasi eine ganze Familie, die Beckers, dem 'Schiedsrichter-Virus' verfallen.
Am heutigen Samstag erlebt die Bezirksoberliga in Marktoberdorf eine Premiere. Bei der Partie des gastgebenden TSV gegen die Kicker vom TSV Schwaben Augsburg fungiert ein Vater mit seinen beiden Söhnen als Spielleiter. Kai Becker und seine Jungs André und Marcel, die alle für den FC Wiggensbach pfeifen, werden um 15.30 Uhr im Marktoberdorfer Stadion erstmals gemeinsam ein Spiel leiten.
Lieber an der Linie
Der 37-jährige Kai Becker, der beruflich bei der Stadt Kempten angestellt ist, pfeift seine dritte Spielzeit in der höchsten schwäbischen Klasse. Nebenher hat er sich die Nachwuchsförderung der Schiedsrichtergruppe Kempten/Oberallgäu auf seine Fahnen geschrieben. Dort ist er als Mitglied des Lehrteams um Lehrwart Sandrino Bust (TV Hindelang) besonders in der Fördergruppe aktiv. Auch bei seinen beiden Söhnen André und Marcel machte die Förderung nicht halt. Seit 2004 sind die beiden 17- und 16-jährigen talentierten Nachwuchsfußballer des FC Kempten Schiedsrichter und waren bei diversen Spielen als Leiter oder Assistenten aktiv. 'Beide ziehen die Einsätze an der Linie den Spielleitungen vor', so berichtet ihr Vater. 'Zweimal Training in der Woche, die Spiele in der Jugend und die Einsätze als Schiedsrichter oder Assistent, da bleibt natürlich nicht viel Zeit für andere Dinge. Immerhin können sich die beiden als Referees ein kleines Taschengeld dazu verdienen!'
'Von solchen Familien sollte es mehrere geben', so der Obmann der Schiedsrichtergruppe Kempten/Oberallgäu, Siegfried Irl. Zwar werde auch in anderen Familien die Schiedsrichter-Tradition in die nächste Generation weitergegeben, doch ein aktives Gespann habe noch keine Familie bisher hervorgebracht, so Irl. Und wer weiß, ob nicht noch ein weiteres Mitglied der Familie Becker in die Fußstapfen des Vaters und der Brüder tritt: der jüngste Sproß der Eheleute Claudia und Kai, der siebenjährige Pascal.
'So langsam erwacht sein Fußballinteresse. Wir werden ihm sicher nicht verbieten, Schiedsrichter zu werden', sagen die Beckers. Auf die Frage, wo denn dann noch Platz im Schiedsrichtergespann für Pascal sei, antwortet Kai Becker schmunzelnd: 'Dann nehmen wir ihn eben als vierten Offiziellen mit!'