Startseite
Icon Pfeil nach unten
Allgäu
Icon Pfeil nach unten

Wenn der Schlankheitswahn krank macht

Allgäu

Wenn der Schlankheitswahn krank macht

    • |
    • |

    Von Stephan Schöttl Kaufbeuren Essen ist eine schöne Sache. Eine, die unvermeidlich zum Leben gehört. Mit Essen werden Befindlichkeiten bekundet und Emotionen reguliert. Doch inzwischen haben immer mehr Menschen ein teilweise krankhaftes Verhältnis zur Nahrungsaufnahme. Mancher isst so gut wie gar nichts, andere müssen sich danach übergeben. Solche Essstörungen sind eine sehr ernst zu nehmende Krankheit. Dr. Albert Putzhammer, Leitender Ärztlicher Direktor am BKH, setzt noch einen drauf: Auch Diäten, sagt er, können in dieser Hinsicht gefährlich sein. 'Weil sie oft zu einseitig sind.'

    Essstörungen sind ein überwiegend weibliches Phänomen, sagen Putzhammer und Dr. Pia Hirschberger, Leiterin der Abteilung Psychosomatik und Psychotherapie. Auf 100 Frauen mit Essstörungen kommt statistisch nur ein Mann. Der Schlankheitswahn ist zur Mode geworden, kann aber schnell auch krankhaft sein - ein Auslöser der Magersucht. Eine Krankheit, die, Experten zu Folge, in fast 20 Prozent aller Fälle tödlich endet.

    Meist beginnen diese Krankheiten damit, dass man sich in seinem Körper unwohl fühlt. Fachleute unterscheiden dabei zwischen Magersucht (medizinisch: Anorexie) und Bulimie (Ess-Brech-Sucht). 'Wir sprechen von Magersucht, wenn das Körpergewicht mehr als 15 Prozent unter dem Normalwert liegt und die Gewichtsabnahme selbst herbeigeführt ist', erklärt Hirschberger. Bei einer 1,70 Meter großen Frau wäre das etwa bei einem Gewicht von 50 Kilogramm der Fall. Die ersten Anzeichen sind starke Angst vor Gewichtszunahme, eingeschränkte und strikt kontrollierte Nahrungsaufnahme sowie übertriebene sportliche Aktivitäten. 'Das beginnt in vielen Fällen mit ganz persönlichen Essensverbotslisten', sagt Hirschberger. Solche Listen reichen vom alltäglichen Stück Schokolade bis hin zu fettreduziertem Joghurt. 'Zunächst kann der Körper das alles kompensieren und macht die eisernen Reserven locker', erklärt die Oberärztin.

    Doch schon bald wirkt sich die Essstörung auf die Gesundheit aus. Vitaminmangel, Blutarmut, Haarausfall und Konzentrationsstörungen sind die Folgen. 'Die Betroffenen leiden zudem unter Magen-Darm-Beschwerden, der Menstruationszyklus bleibt aus, Schlaf- und Herzrhythmusstörungen treten auf', so Hirschberger. Das Körperbild Magersüchtiger bleibt allerdings verzerrt. Sie erkennen die lebensbedrohliche Abmagerung ihres Körpers nicht. Besonders einzelne Körperteile wie Oberschenkel, Bauch und Hüfte werden ständig überprüft und kritisiert.

    Psychologische Probleme

    Wie dieser Teufelskreis anfängt, lässt sich oft schwer rekonstruieren. Klar ist: Meist stecken tiefer liegende psychologische Probleme dahinter. Essstörungen dienen als Möglichkeit, den täglichen Widrigkeiten und Problemen zu begegnen, weil angemessene Bewältigungsformen fehlen. 'Ich halte durch', wird oft zum Leitmotiv. Im Kaufbeurer Bezirkskrankenhaus seien permanent bis zu fünf solcher Patienten in Behandlung. 'Dieser Bereich wird viel zu wenig mit dem BKH in Verbindung gebracht. Dabei behandeln wir hier heimatnah je nach Schwere der Symptomatik akutpsychiatrisch und langfristig psychotherapeutisch', so Putzhammer. Ein erster Schritt der Behandlung ist immer das Verfassen eines genauen Tagesprotokolls. Was wird wann gegessen? 'Damit sie sehen, was überhaupt mit ihnen passiert', sagt Hirschberger. Danach werden Schritte erarbeitet, um das Essverhalten zu normalisieren, das Gewicht langsam zu erhöhen und Probleme mit anderen Mitteln zu bewältigen. Die Bereitschaft, sich behandeln zu lassen, sei allerdings der wichtigste Faktor, der über den Erfolg einer Therapie entscheidet.

    'Wenn jemand unbedingt abnehmen will, sollte er oder sie es mit einer Ernährungsumstellung und passender sportlicher Betätigung versuchen', meint der Ärztliche Direktor. Sprich: Fettreduziert essen, vermehrt Obst und Gemüse. Über die gängigen Diäten und Fastenkuren meint Putzhammer: 'Sie führen zwar nicht unmittelbar zur Magersucht. Wer kurzfristig Gewicht reduziert, kann aber die Abnahme in der Regel nicht halten, meist kommt es sogar zu einer Gewichtserhöhung nach der Diät, die einen Teufelskreis von Diäten in Gang setzen kann. Gefährlich sind Diäten, wenn sie zu einseitig sind.'

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden