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Weniger sicher als die Plastikbomber aus der DDR

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Weniger sicher als die Plastikbomber aus der DDR

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    Kaufbeuren (fro). - Zum 1. Februar wird in Deutschland die Führerscheinklasse S eingeführt. Damit dürfen Jugendliche ab 16 Jahren Quads, Trikes und Kleinst-Autos bis 45 Stundenkilometern fahren. Die Begeisterung über den von der EU 'aufgezwungenen' (ADAC) Führerschein hält sich in Grenzen: Von Skepsis bis zu offener Ablehnung reicht die Palette der Reaktionen bei Fahrschullehrern, Polizei oder ADAC. Um sich in schwerem Gelände zügig zu bewegen, nutzte das amerikanische Militär Panzer - bis es für einen wesentlich flexibleren Arbeitseinsatz 'All Terrain Vehicles' (ATV) entwickelte: Allradgetriebene, geländegängige und verkleidete Arbeitsfahrzeuge für eine oder zwei Personen, die mit Zusatzgeräten wie Schneeschaufel, Rasenmäher oder Walzen ausgestattet werden können. Den praktischen Nutzen der ATVs stellten auch Land- und Pferdewirte, Jäger, Weinbauern oder Holzarbeiter fest. Mittlerweile gibt es die ATV auch als Spaßversion, so genannte Quads, deren Verkauf in Deutschland seit über zwei Jahren boomt. Obwohl die Quads eher eine Motorradcharakteristik haben, dürfen sie mit dem Autoführerschein gefahren werden. Ab 1. Februar wird die Führerscheinklasse S eingeführt, mit der Jugendliche ab 16 Jahren Quads, Trikes und Kleinst-Auto ('Microcars') bis 45 Stundenkilometer, 50 Kubikzentimeter (ccm) und 350 Kilogramm fahren dürfen. Sämtliche Institutionen, die sich mit Verkehrssicherheit beschäftigen, stünden der neuen Führerscheinklasse eher skeptisch gegenüber, berichtet Eugen Hänßler, Sprecher der Kaufbeurer Fahrschullehrer. Die neue Klasse werde in Deutschland auch nur auf Druck der EU eingeführt. In manchen Ländern mache diese Führerscheinklasse Sinn, nicht aber in Deutschland mit seinem gut ausgebauten Straßenverkehrsnetz. Der Fahrschullehrerverband spreche sich gegen die neuen Führerscheine und auch gegen die Fahrzeuge aus, die damit gefahren werden dürfen, erklärt Hänßler. 'Die passive Sicherheit ist gleich null.' Da das Gewicht der Fahrzeuge nämlich auf 350 Kilo begrenzt sei, gebe es keinerlei Aufprallschutz. 'Die sind weniger sicher als die Plastikbomber in der damaligen DDR', findet Hänßler. Die Quads hätten außerdem einen viel zu kurzen Radstand, weshalb sie leicht kippen.

    Keine Knautschzone Auch der ADAC spricht sich gegen die neuen Leichtfahrzeuge aus: Diese seien im fließenden Verkehr ein Hindernis und provozierten unfallträchtige Situationen. 'Die einzige Knautschzone, über die der Fahrer verfügt, ist sein eigener Körper', teilt ein Pressesprecher des ADAC mit. Das hätten Tests 'eindrucksvoll' gezeigt. Zudem sei die Gruppe der jugendlichen Fahranfänger schon jetzt überproportional an Unfällen beteiligt. Die Polizei spricht zwar von einem 'gewissen Gefährdungspotenzial', doch müsse man erst einmal abwarten: In Kaufbeuren habe es bislang erst zwei Unfälle mit Quads gegeben, berichtet Thomas Wegst, Verkehrssachbearbeiter der Kaufbeurer Polizeiinspektion. Allerdings hatte sich die Polizei mit anderen Institutionen vehement für eine Helmpflicht eingesetzt. Die gibt es bislang nur für ein paar Modelle, soll aber eventuell bis zum Sommer für alle Quads und Leichtfahrzeuge eingeführt werden. Bei 'Quad & Auto' in Kaufbeuren boomt zwar der Quad-Verkauf, doch für die neuen 50 Kubikzentimeter-Quads gebe es nur geringe Vorbestellungen, so Inhaber Huseyin Ulutas. Eine Helmpflicht würde er begrüßen. Die Verkehrssicherheit hält er bei den Quads für ausreichend: Meist sei nicht das Fahrzeug, sondern die Unvernunft der Fahrer das Problem. Noch gibt es für den neuen Führerschein kaum Resonanz: In Kaufbeuren gibt es keine, in ganz Bayern sieben Anmeldungen - und man dürfe nicht einmal Roller damit fahren, erklärt Hänßler. Dazu seien die Fahrzeuge auch relativ teuer: Mehrere Tausend Euro kostet ein kleines Quad, ein Microcar gar über 11000 Euro.

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