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Weißer Tod wartet nur kurze Zeit

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Weißer Tod wartet nur kurze Zeit

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    Oberstdorf (pts). So schlimm es klingt: 35 Minuten nach einem Lawinenunglück ist nur ein Viertel der verschütteten Skifahrer noch am Leben. Der Immenstädter Unfallchirurg und Arzt des Bergwacht-Landesverbands, Dr. Herbert Forster, zeichnete in Oberstdorf vor Sportärzten aus ganz Deutschland ein dramatisches Bild. Und doch gibt es bei Patienten selbst im Zustand extremer Unterkühlung immer wieder Hoffnung, sodass ein Rettungseinsatz aus der Luft auch nach geraumer Zeit noch einen tiefen Sinn macht.

    150 Sportmediziner hören bis zum Wochenende Vorträge und erhalten Anleitungen. Sie betätigen sich aber auch in der sportlichen Praxis, nachdem die Orthopädische Fachklinik Wasach im Ortsteil Tiefenbach zum mittlerweile 29. Weiterbildungsseminar gerufen hatte. Hochkarätige Referenten aus Medizin und Sport wurden wieder einmal verpflichtet, um die Tagungsteilnehmer beispielsweise mit den neuesten Erkenntnissen über Nutzen und Risiken des Sports bei Diabetes-Kranken oder über die Doping-Problematik im Hochleistungssport zu versorgen. Aber auch überarbeitete Therapie-Leitlinien bei Erkrankungen des Knochenbaus oder die Dosierung des Trainings von Ausdauer-Athleten bildeten Bausteine des achttägigen Kongresses. Schauplatz des Seminars war unter anderem die Berglandschaft am Nebelhorn, wo die Mediziner übungshalber zu Bergrettern wurden. Mit Sonden stocherten sie beim alpinen Sicherheitstraining im Schnee nach Lawinen-Verschütteten. Wie schrecklich die Realität bei Bergunglücken ist, darüber wurden sie von einem Arzt unterrichtet, der ständig in den Rettungshubschrauber klettert, um Menschen in letzter Sekunde vor dem 'weißen Tod' zu bewahren: Herbert Forster.

    Schon wenn ein Skitouren-Geher nur kurz in einen Bach stürzt und sofort wieder herausfindet, besteht Unterkühlungsgefahr. Die Tour sollte abgebrochen werden. Viel schlimmer wird es, wenn die Rettungshelfer zu Verschütteten müssen, die erst nach der wichtigen 'goldenen halben Stunde' aus den Schneemassen einer Lawine befreit werden können. Erschöpfung, Schläfrigkeit, Lähmungszustände, Atem- und Herzstillstand sind die Stadien der Patienten. Deswegen ist die sofortige Kameradenhilfe so wichtig, wenn ein Schneebrett niedergegangen ist. Manchmal hilft nach Wiederbelebungsmaßnahmen nur noch der schnelle Abtransport in ein Krankenhaus mit Herz-Lungen-Maschine. Da kann ein 20-Minuten-Flug der Alpin-Retter von den Oberallgäuer Bergen bis nach Innsbruck lebensrettend sein.

    Bei winterlichen Touren sollten Alpinisten und Tourengeher mit Lawinen-Ortungsgeräten ausgestattet sein. Der frühere Chefarzt der LVA-Klinik und jetzige wissenschaftliche Berater des Seminars, Dr. Hans Rohde, demonstrierte den Medizinern, was ebenfalls hilft: ein aufgeblähter Ballon, der zuvor schlaff im Rucksack mitgeschleppt wurde.

    Spannend werden die Seminare dadurch, dass aktive oder frühere Hochleistungssportler auftreten. Diesmal gehörte der Ex-Eiskunstläufer und jetzige Arzt Hendryk Schamberger dazu. Aber auch die Paralympic-Siegerin und Ski-Weltmeisterin im Behindertensport, Gerda Pamler, beeindruckte die Ärzte. Als Rollstuhlfahrerin legte sie dar, wie mit dem richtigen Gerät ein Beinamputierter oder Gelähmter die Freuden des Wintersports genießen darf. In der Skischule Bolsterlang, wo Herbert Speiser als Unterschenkel-Amputierter und zigfach erfolgreicher Behindertensportler noch immer feste dabei ist, gibt man gerne Ski-Kurse für Behinderte.

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