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Wegen "Scheibenwischer"-Geste: Amtsgericht Kaufbeuren verurteilt Mann zu 900 Euro Geldstrafe

Schizophrener Angeklagter (34)

Wegen "Scheibenwischer"-Geste: Amtsgericht Kaufbeuren verurteilt Mann zu 900 Euro Geldstrafe

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    Prozess (Symbolbild).
    Prozess (Symbolbild). Foto: Ralf Lienert

    Das Amtsgericht Kaufbeuren hat einen 34-jährigen Mann wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 30 Euro verurteilt. Zusammengerechnet entspricht das 900 Euro. Der Mann hatte im Dezember 2019 einen einparkenden Mann mit einer "Scheibenwischer"-Geste beleidigt. Der Fall landete auch deshalb vor Gericht, weil der beleidigte Mann dem Angeklagte hinterhergefahren und es kurz darauf zu einem Auffahrunfall zwischen den Beiden gekommen war. 

    Beleidigung und Hitlergruß

    Die Staatsanwaltschaft legte dem 34-Jährigen mehrere Anklagepunkte zur Last: Viermal Beleidigung, einmal die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und einmal einen vorsätzlichen, gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr. Der 34-Jährige hatte ein 15-jähriges Mädchen als "Schlampe" beleidigt. In einem anderen Fall beschimpfte der Mann ein Ehepaar, das gerade ihren siebenjährigen Enkel nach Hause bringen wollte, unter anderem als "Nazi-Schweine". Außerdem zeigte er den Hitlergruß. Zuvor hatte der Mann nach Aussage der vor Gericht vernommenen Zeugin und Oma des Enkels laut vor sich hin geschimpft. Den Vorfall beschrieb sie als "wirklich schlimm". 

    Mann leidet unter Schizophrenie

    In den beiden Anklagepunkten "Beleidigung" und  "Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" sowie wegen einer weiteren Beleidigung sprach das Gericht den Mann frei. Der Grund: Der Angeklagte leidet unter Schizophrenie. Zum Zeitpunkt der Vorfälle hatte der Mann seine Medikamente nach eigener Aussage nur unregelmäßig eingenommen. Auch ein Gutachter meinte, dass der Mann "nicht richtig und gut" behandelt worden sei. Die Handlungen des Angeklagten (unflätige Gesten, sehr impulsiv) würden in das Krankheitsbild der Schizophrenie passen. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten in den oben genannten Fällen mindestens stark eingeschränkt eventuell auch aufgehoben war. Daher wurde der 34-Jährige nach §20 StGB für schuldunfähig befunden und freigesprochen. Anders verhielt es sich mit dem Vorfall der "Scheibenwischer"-Geste. Hier wurde lediglich von einer verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen (§21 StGB).

    Dashcam filmt "Scheibenwischer"-Geste

    Die Staatsanwaltschaft warf dem Angeklagten außerdem einen vorsätzlichen, gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr vor. Der von der "Scheibenwischer"-Geste beleidigte Mann fuhr dem Angeklagten hinterher. Der Mann sagte auch vor Gericht als Zeuge aus. Dabei meinte er, dass er den Angeklagten nicht verfolgt hätte. Stattdessen habe er zum V-Markt fahren wollen. Warum der Zeuge eine in seinem Auto befindliche Dashcam allerdings ausschaltete, bevor er sich angeblich auf den Weg zum V-Markt machte, konnte er nicht schlüssig erklären. Die Dashcam hatte zuvor noch die "Scheibenwischer"-Geste gefilmt. 

    Auffahrunfall provoziert oder von der Sonne geblendet?

    Schließlich kam es in einer leichten Rechtskurve zum Auffahrunfall. Der Angeklagte hatte abgebremst, woraufhin der Zeuge auf ihn auffuhr. Bei dem Unfall wurde keiner verletzt, es entstand nur ein geringer Sachschaden. Laut der Staatsanwaltschaft habe der Angeklagte absichtlich und ohne ersichtlichen Grund abgebremst. Dadurch habe er sich absichtlich zu einem Hindernis im Straßenverkehr gemacht. Bremspuren, die auf eine Vollbremsung hinweisen würden, gab es allerdings keine. Zudem konnte sich der Zeuge nicht mehr daran erinnern, wie viel Abstand er gehalten hatte. 

    Freispruch für den Angeklagten

    Die Verteidigung meinte hingegen, dass der Angeklagte von der Sonne geblendet worden sei. Daher habe er abgebremst. Sowohl der Zeuge, als auch der zur Unfallaufnahme hinzugerufene Polizist gaben allerdings vor Gericht an, nicht geblendet worden zu sein. Allerdings bestätigt ein ärztliches Attest, dass der 34-Jährige unter einer Lichtempfindlichkeit leidet. Das Gericht entschied hier zugunsten des Angeklagten. Seine Aussage, dass er von der Sonne geblendet worden sei, könne nicht widerlegt werden, so Richterin Anna Lena Lessmann.

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