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Was Fachleute über die islamistische Radikalisierung von Jugendlichen wissen

Expertentagung

Was Fachleute über die islamistische Radikalisierung von Jugendlichen wissen

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    Was Fachleute über die islamistische Radikalisierung von Jugendlichen wissen
    Was Fachleute über die islamistische Radikalisierung von Jugendlichen wissen Foto: Britta Pedersen (dpa-Zentralbild)

    Bayern verstärkt den Kampf gegen radikale Salafisten. Bei einer Expertentagung in München wurde am Dienstag und Mittwoch das neue bayerische Präventionsnetzwerk vorgestellt. Wir fassen einige Fragen und Antworten zusammen.

    Was wollen die Salafisten?

    Salafisten leben einen rückwärtsgewandten Islam und legen den Koran wörtlich aus. Dazu gehört oft ein Leben nach dem Vorbild des Propheten Mohammed bis hin zum Zähneputzen mit einem Zweig. Salafisten lehnen Demokratie ab, sprechen sich für Geschlechtertrennung und das islamische Rechtssystem der Scharia aus.

    Sind Salafisten automatisch Terroristen und Attentäter?

    Nein. Zwar werden viele der derzeit rund 700 deutschen Syrienreisenden dem Salafismus zugerechnet. Aber es gibt auch Strömungen im Salafismus, die keine Probleme bereiten (stiller Salafismus). Manche der ultraorthodoxen Muslime sind unpolitisch und lehnen Gewalt ab. 'Darauf schauen' müsse man dennoch, sagt Professor Mathias Rohe von der Universität Erlangen-Nürnberg. Salafismus gefährde grundsätzlich das Zusammenleben in Deutschland.

    Wie ködern Salafisten Jugendliche?

    Salafisten sind 'die besseren Sozialarbeiter', sagt Diplom-Psychologe und Islamismusexperte Ahmad Mansour. Die Islamisten machten Jugendlichen 'superattraktive' Angebote und missionierten dort, wo der Staat bislang nicht sei: in Gefängnissen, vor Spielhallen und an Infoständen. Jugendliche bekämen Aufgaben und Ziele. Gleichzeitig arbeite die Propaganda von Terrororganisationen wie dem Islamischen Staat mit Angstpädagogik. In Videos und Vorträgen werde den Jugendlichen ein strafendes Gottesbild vorgegeben. Bei Verfehlungen drohe in ihrer Vorstellung die Hölle. 'Und an dem Punkt sagen die Salafisten: Wir haben die Lösung, folgt uns.'

    Gibt es Symbole und Erkennungszeichen der Salafisten?

    Als Erkennungsgeste gilt der ausgestreckte Zeigefinger: ein Gott, ein Staat. Mittlerweile verboten und strafbar sind Banner und Kleidung mit dem weißen Siegel des Propheten auf schwarzem Grund. Das Symbol wird von der Terrororganisation Islamischer Staat verwendet.

    Welche Rolle spielen Mädchen und Frauen in der Szene?

    Die weibliche Radikalisierung ist derzeit noch nicht erforscht. Aber es gibt Anhaltspunkte: Salafistinnen schwärmen dafür, Terrorkämpfer zu heiraten, es geht um Fankultur. Zum anderen empfinden offenbar gerade Mädchen aus fundamental-religiösen Familien Freiheit im Netzwerk und unter den Regeln der Radikalen: Sie könnten der Bevormundung von Brüdern und Vätern entkommen und 'flüchten' sich zu ihren selbst gewählten Partnern in der Szene. Gleichzeitig gibt es Propaganda, die sich speziell an Frauen wendet mit Fotos angeblich stabiler Verhältnisse mit Kindergärten, Schulen und medizinischer Versorgung im syrischen Kriegsgebiet.

    Vom Schüler zum Selbstmordattentäter: Gibt es einen typischen Verlauf bei der Radikalisierung von Jugendlichen?

    Von Mustern spricht Dr. Stefan Malthaner von der Universität Aarhus. Viele Jugendliche finden entweder über radikale Familienmitglieder (Bruder, Onkel) oder Freunde den Einstieg in die Szene. Gleichzeitig spielen virtuelle Bekanntschaften über Chatdienste wie WhatsApp oder Facebook eine Rolle. Die Entscheidung, nach Syrien auszureisen, werde meistens in kleinen Gruppen getroffen. Bei vielen gibt es zu diesem Zeitpunkt einen Bruch in der Biografie wie Jobverlust, Schulversagen, gescheiterte Beziehungen, Strafverfolgung.

    Wo finden Eltern radikalisierter Jugendlicher Hilfe?

    Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurde 2012 eine Beratungsstelle 'Radikalisierung'eingerichtet. Seither sind dort 2.000 Anrufe von Angehörigen eingegangen, sagt Florian Endres vom Bundesamt. 32 Berater haben in drei Jahren 800 Fälle betreut. Die Beratungsstelle ist erreichbar unter der Telefonnummer: 0911/94 34 343.

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