Von Günter Bartsch, Füssen - Für ein Altstadthaus hat Wolfgang Wankmiller gestern bei einer Versteigerung fast das Doppelte des Verkehrswertes geboten. Damit gehören dem Oberhaupt der Füssener Sekte, die in den vergangenen Jahren immer wieder für Schlagzeilen gesorgt hat, drei aneinander grenzende Häuser in der Floßergasse. Außerdem hat er eine Wiese ersteigert, auf dem einmal die A7 verlaufen soll. Die Besucherreihen im Sitzungssaal des Amtsgerichts im Hohen Schloß waren gut gefüllt, als dort gestern die Versteigerung stattfand. Neben Mitgliedern der Wankmiller-Gruppe saßen dort interessierte Füssener sowie Vertreter der Stadt und der Autobahndirektion Südbayern. Wankmiller, dem schon bisher ein Drittel des Hauses und der Wiese gehörte, war durch Ulrike Driendl-Piepenburg vertreten. Helmut Gaßner, bisher Eigentümer der übrigen zwei Drittel, war selbst vor Ort. Die Autobahndirektion stellte das erste Gebot: 5000 Euro - der Verkehrswert Roßweide am Geometerweg. Auf einem Teil dieses Grundstücks soll später die Autobahn verlaufen. Gaßner erhöhte auf 6000 Euro und bot für das Haus an der Flößergasse 80000 Euro. Damit begann eine muntere Auktion, bei der sich viele Besucher ihr Schmunzeln nicht verkneifen konnten. Denn schon bald wurden Beträge geboten, die weit über die Verkehrswerte hinausgingen. Während Gaßner bei der Roßweide bei 15000 Euro ausstieg, hielt die Autobahndirektion bis 20000 Euro durch. Doch Driendl-Piepenburg ging darüber und bekam die Wiese schließlich für 20500 Euro. Das gleiche Spiel beim Flößergassen-Haus. Doch hier war es Gaßner, der fast bis zum Schluss mitging. Bei 275000 Euro wunderte sich offenbar auch der Versteigerungsrichter über die stattlichen Gebote: 'Soll ich den Verkehrswert noch mal sagen?' fragte er in die Runde. Bei 288000 Euro stieg Gaßner aus, Wankmiller erhielt das Anwesen für 290000 Euro, also gut 130000 Euro über dem Verkehrswert. In bar hinterlegte Driendl-Piepenburg gut 15000 Euro als Sicherheitsleistung. Nach der Versteigerung zeigte sich Gaßner zufrieden mit dem Ergebnis: Denn für den Betrag, den er jetzt von Wankmiller bekommt, habe er ihm seinen Teil des Hauses zum Kauf angeboten. Doch darauf sei der Sekten-Chef nicht eingegangen. An sich hätte Gaßner das Anwesen, das er von seinen Großeltern geerbt hatte, gern behalten. Doch mit Wankmiller als Mit-Eigentümer und 'eingekreist' von anderen Häusern der Gruppe, habe er nichts von dem Haus gehabt. Zu den Besitzverhältnissen kam es übrigens, weil Gaßners Cousin seinen Anteil der Grundstücke an Wankmiller verkauft hatte.
'Nicht um jeden Preis' 'Wir hätten die Roßweide gern gehabt. Aber nicht um jedem Preis', meinte Hans-Jürgen Gottschlich, der Leiter der Autobahndirektion-Dienststelle Kempten, gegenüber unserer Zeitung. Seine Behörde sei daran interessiert, möglichst viele Grundstücke für die A7 auf freiwilliger Basis zu erwerben. Möglich sei aber auch ein Grundstückstausch innerhalb der Flurbereinigung. Ungern werde auf die Möglichkeit einer Enteignung oder Besitzeinweisung zurückgegriffen, so Gottschlich. Auch Peter Wieland, der Sprecher der 'Füssener Initiative für Sektenaufklärung und Hilfe', verfolgte die Versteigerung. Überrascht zeigte er sich von den 'enormen Geldmitteln', über die Wankmiller offenbar immer noch verfüge. Angesichts mehrerer Geschäftsaufgaben der Wankmiller-Gruppe habe die Initiative den Eindruck gewonnen, dass sich der finanzielle Fluss verringert habe. 'Doch davon kann angesichts solcher Beträge keine Rede sein', meint Wieland. Diese stünden in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Wert der ersteigerten Grundstücke, besonders mit Blick auf die marode Bausubstanz des Altstadthauses. Für die Stadt sei es von Nachteil, dass Wankmiller nun in der Häuserzeile in der Flößergasse 'schalten und walten' könne, wie er will.