Fast acht Jahrzehnte lang war der Name Wacker Chemie ein Begriff im Kemptener Wirtschaftsleben. In diesen Tagen verklingt er endgültig: Der Chemiekonzern hat sein letztes verbliebenes Werk in Sankt Mang geschlossen. Wie Unternehmenssprecher Christof Bachmair bestätigte, ist die Produktion bereits eingestellt. Derzeit liefen die Aufräum- und Rückbauarbeiten auf dem Gelände in der Max-Schaidhauf-Straße. Danach soll das Grundstück verkauft werden. Im Werk waren zuletzt knapp 50 Mitarbeiter beschäftigt. 'Wir haben allen Mitarbeitern Arbeitsplätze an anderen Standorten angeboten - knapp die Hälfte hat davon Gebrauch gemacht', sagt Pressesprecher Bachmair.
Manche seien in Altersteilzeit gegangen und wieder andere hätten sich über Aufhebungsverträge neue Jobs in anderen Kemptener Betrieben gesucht. Dass man versuchen werde, die Werksschließung ohne betriebsbedingte Kündigungen durchzuziehen, das hatte die Wacker-Spitze von Anfang an betont – und war dafür auch vom Betriebsrat gelobt worden: Der Konzern habe sich 'wirklich um jeden einzelnen Mitarbeiter kümmert', so Betriebsratsvorsitzender Rudi Voss vergangenes Jahr. Dennoch hatte die Nachricht von der Schließung die Wacker-Beschäftigten seinerzeit erschüttert. Immerhin hatte das Werk schwarze Zahlen geschrieben.
Seit 1972 wurde in Kempten pyrogene Kieselsäure produziert – ein Siliciumdioxid, das in der Kosmetik-, Pharma- oder Lebensmittelindustrie eingesetzt wird. Der Grund für die Schließung, teilte Wacker Chemie mit, seien freie Produktionskapazitäten in Burghausen und Nünchritz.
Hans Peter Kalmuk hat fast sein gesamtes Berufsleben bei Wacker verbracht – 'da schwingt bei mir nun schon Wehmut mit', sagt der Rentner. Er war Betriebsratsvorsitzender, kurz bevor das ebenfalls zu Wacker gehörende Elektroschmelzwerk an das amerikanische Unternehmen Ceradyne verkauft wurde. Aus dem Elektroschmelzwerk – der Keimzelle von Wacker in Kempten – und dem benachbarten Werk für die Kieselsäureproduktion wurden zwei getrennte Unternehmen.
'Damals wurde ein Zaun mitten durchs Werksgelände gezogen, das war schon ein seltsames Gefühl – wie in einem Gehege', erinnert sich ein anderer ehemaliger Mitarbeiter.
'Keine verbrannte Erde'
Während ins ESK in den vergangenen Jahren um die 20 Millionen Euro an Investitionen flossen, entschied sich das Schicksal des verbliebenen Wacker-Werks Anfang 2010. 'Das ist schon das Ende einer Ära', sagt dazu ein Mitarbeiter der Gaststätte 'Zum Schmelztiegel' direkt am Werksgelände. 'Die Mitarbeiter kamen ja immer zum Essen und haben ihr Sommerfest bei uns gefeiert.'
'Es ist nie schön, wenn ein Unternehmen geht – aber man muss Wacker zugutehalten, dass keine verbrannte Erde hinterlassen wurde', sagt Wirtschaftsreferent Dr. Richard Schießl. Von dem Vorgehen des Konzerns könnten sich andere eine Scheibe abschneiden. Er hoffe, dass man mit Interessenten fürs Grundstück nun ebenso 'ordentlich' umgehen werde wie bisher mit den Mitarbeitern und der Stadt. Schießl: 'Auch wenn man einen Standort verlässt, kann man etwas für einen Standort tun.'
Nach fast 80 Jahren verlässt Wacker Chemie die Stadt: Der Konzern hat sein letztes Werk in Kempten geschlossen, derzeit läuft der Rückbau auf dem rund 30 000 Quadratmeter großen Grundstück in Sankt Mang. Foto: Laurin Schmid