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Von Jesse kam die Art . . .

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Von Jesse kam die Art . . .

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    Der Stammbaum Christi bezeugt: Jesus ist der erwartete Messias. Von Herbert Wittmann Hörmanshofen Dem ungeübten oder flüchtigen Beobachter erscheint der Hochaltar in der Hörmanshofner Ottilienkirche als stilreines Werk der Zeit um 1700. Und doch enthält er, neben einigen neuen Zutaten, zwei wesentlich ältere Bestandteile, die so geschickt eingefügt wurden, dass dies kaum auffällt. Im Zentrum des Altars steht die Figur der heiligen Ottilia aus der Zeit um 1470, und hoch oben im Altarauszug, von den meisten Besuchern übersehen und wohl nur mit dem Fernglas im Datail erkennbar, befindet sich eine ganz und gar bemerkenswerte Darstellung der 'Wurzel Jesse', entstanden etwa um 1500.

    Man weiss nicht, welcher schwäbische Bildhauer diesen Stammbaum Christi geschaffen hat, aber die Bibel verrät, welche Bewandtnis es mit der Geschlechterfolge hat, von der die Evangelisten Lukas (Lk 3, 23 - 38) und Matthäus (Mt 1, 1 - 16) berichten. Und wer erinnert sich hier nicht sofort an das schöne alte Weihnachstslied: 'Es ist ein Ros` entsprungen aus einer Wurzel zart. Wie uns die Alten sungen, von Jesse kam die Art.'

    Buch der Abstammung Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams ­ so beginnt Matthäus sein Evangelium: eine Ahnentafel, die in einer kunstvoll gefügten Schematik von dreimal 14 Gliedern über David zu Joseph führt, dem gesetzlichen Vater Jesu. Ins Gewand eines historischen Berichts hat Matthäus seinen Glauben gekleidet; er blickt vom christlichen Auferstehungsglauben auf die jüdische Erwartung zurück. Was er schreibt, muss sich so zugetragen haben, weil die Propheten sagten, dass es sich so zutragen werde. Der Nachweis davidscher Herkunft ist für die jüdische Messiaserwartung wichtigstes Kriterium: Sohn Abrahams (Verheißung von 1 Mos 12, 3) und Davidsbund (2 Sam 7, 12)! Bei Isaias, dem ersten der vier großen Propheten, finden wir ebenfalls den Hinweis auf die Geburt des Messias (Is 11, 1 - 10), er verkündet 'ein Reis, das aus Isais Stumpf hervorwächst' und spricht von 'Isais Wurzel'. Isai jedoch ist Jesse, der Vater Davids. Schließlich verspricht auch der Engel Gabriel: 'Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird herrschen über das Haus Jakob ewiglich ' (Lk 1,32).

    Auf die komplexe Zahlensymbolik der Ahnentafel Christi kann hier nicht näher eingegangen werden. Dass die hebräische Schreibweise des Namens David auch die Zahl 14 bedeutet, spielt jedoch eine zentrale Rolle.

    Spätgotischer Ursprung

    Zurück zur Hörmanshofener 'Wurzel Jesse', die aus einem spätgotischen Schreinaltar übernommen wurde und in der sich auch das wachsende Interesse ihrer Entstehungszeit dokumentiert, die Ahnen zu erforschen: Jesse liegt schlafend in einer Nische. Seinem Leib entwächst ein gedrehter Stamm, der sich in einer Laubkonsole für Maria und das göttliche Kind öffnet. 'Das Gesicht der Gottesmutter ist von bäuerlicher Schönheit, wie auch das Kind auf ihrem Arm, derb und weich zugleich.' (Peter Pius Irl) In den kunstvoll verschlungenen Seitenfeldern sind jeweils fünf schreitende, sitzende oder knieende Könige der Davidslinie dargestellt: David links unten, sein Sohn Salomon rechts, Roboam wieder links usw., schließlich rechts oben Jakob.

    Man kann die Namen lesen, aber man braucht dazu ­ wie gesagt ­ ein gutes Fernglas. Damit kann man auch die filigrane Schnitzkunst des unbekannten Bildhauers bewundern, der vor 500 Jahren dieses schöne Werk geschaffen hat.

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