Startseite
Icon Pfeil nach unten
Allgäu
Icon Pfeil nach unten

Vom Patienten zum Krankheits-Manager

Allgäu

Vom Patienten zum Krankheits-Manager

    • |
    • |

    Die Prontener Fachklinik Allgäu hilft mit ungewöhnlichen Methoden Von Markus Röck Pfronten Goldgelb oder doch schon hellorange? Konzentriert schauen die Frauen auf den Teststreifen. Je röter der sich färbt, deso heftiger juckt nämlich ihre Nase: Der Farbe zeigt nämlich, wieviele Hausstaubmilben in einer Staubprobe sind. Der Umgang mit dem Teststreifen gehört zum Verhaltenstraining. An der Pfrontener Fachklinik Allgäu ist das ein wesentlicher Teil der Behandlung von Allergien."Der Patient ist der Manager seiner eigenen Krankheit", sagt Dr. Konrad Schulz. Er ist der leitende Arzt der Klinik, die vor zwei Jahren die Nachfolge des DAK-Kurzentrums angetreten hat und an der mittlerweile 4500 Patienten mit Allergien, Haut- und Atemwegserkrankungen sowie psychosomatischen Störungen behandelt wurden. Dem Patienten zu helfen, im Alltag mit seiner Krankheit leben zu können, ist für die Fachklinik ebenso wichtig wie die Linderung der Beschwerden. Ganzheitliche Therapie hat sich die Fachklinik auf ihre Fahnen geschrieben: Jeder Patient bekommt sein individuell zusammengestelltes Programm aus medizinischer Diagnostik, medikamentöser Therapie, Entspannungs- und Sporttraining, Krankengymnatik, Gestaltungstherapie und Verhaltensschulung. Wofür es anderswo lediglich Merkblättern gibt, das wird in Pfronten in Trainingsstunden gelehrt. Beispielsweise von Silke Herrmann. Kein trockener Vortrag steht auf dem Programm, wenn sie Allergikern beibringt, mit Hausstaubmilben zu leben, deren Kot ihnen tränende Augen und eine juckende Nase beschert. In ihrem Trainingsprogramm dürfen die Teilnehmer milbendichte Matratzen- und Bettbezüge befühlen, am Spezialwaschmittel schnuppern oder mit dem Staubsauger Staubproben für die Milbenkontrolle sammeln. Für Menschen wie Sieglinde Becker wichtige Erfahrungen: "So ausführlich wie hier habe ich das noch nirgends erlebt." Vieles könne sie im Alltag umsetzen. Linderung in einer langen Leidensgeschichte. Nicht nur auf Hausstaubmilben reagiert die Hamburgerin. Auf 23 Allergene - von Pollen über Katzen bis bis zur Hausstaubmilbe - reagiert ihr Körper überempfindlich, weiß sie heute.

    Damals vor rund 35 Jahren, als ihre Beschwerden anfingen, waren die Ärzte noch ratlos. Hustensaft und Schnupfenmittel wurden ihr verschrieben - mit bescheidenem Erfolg. "Am Anfang lindert sogar Salzwasser", erinnert sie sich. "Aber eben nicht auf Dauer." Medikamente und eine Desensibilisierung verhalfen ihr zu ein wenig Linderung. Aber noch immer sind die Beschwerden so stark, dass sie mit 56 Jahren überlegt, ob sie einen Rentenantrag stellen muss. Von ihrer Kur in Pfronten erhofft sie sich nun einiges. Gymnastik, Atemübungen, Vorträge, Verhaltenstraining - sogar die Raucherentwöhnung steht noch auf ihrem Stundenplan. Die Chancen, dass sich ihre Beschwerden durch die Kur in Pfronten bessern, stehen gut. Bei Patientenbefragungen gaben zwei Drittel der Hausgäste an, ihre Beschwerden hätten sich "wesentlich" oder "deutlich" gebessert. Ein weiteres Viertel verspürt zumindest eine leichte Besserung. Über 96 Prozent der Patienten beurteilten ihren Reha-Aufenthalt in Pfronten als "sehr gut" oder "gut". Beinahe ebenso viele würden die Klinik einem Freund mit ähnlichen Gesundheitsproblemen empfehlen. Dr. Schultz sieht das Ergebnis als Bestätigung des eigenen ehrgeizigen Anspruchs, sich in die erste Reihe der deutschen Reha-Kliniken einzuordnen. Auch, dass die Mitarbeiter mittlerweile rund 30 wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlichten, erzählt der leitende Arzt stolz, der selbst eine ganze Reihe Aufsätze, unter anderem über Verhaltenstrainings veröffentlichte. Im Milbentraining haben die Teilnehmerinnen inzwischen von allen kühnen Plänen Abstand genommen, ganz ohne die posierlichen Tiere leben zu können. Denn, so hat ihnen Silke Herrmann erzählt, dazu müssten sie über 1500 Meter Meereshöhe oder in die Wüste ziehen. Auch der Staubsauger hilft nur, um Proben zu nehmen: Zwei Stunden lang müsste man jeden Quadratmeter Teppich saugen, um die Milben weitgehend zu entfernen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden