Wenn die Klimaforscherin Dr. Roswitha Stolz von einer "Mediterranisierung" der nördlichen Alpenregion spricht, klingt das zunächst etwas verführerisch. Doch wenn es, ähnlich wie im Friaul, in einigen Jahrzehnten im Jahresmittel deutlich wärmer im Allgäu wird, verändert das die Landschaft:
Das saftige Grünland könnte jeden zweiten oder dritten Sommer braun und dürr sein. In den Skigebieten dürfte es erst ab 2000 Metern so schneesicher sein wie derzeit auf 1000 Metern. Der Wandel wirkt sich auf die Landwirtschaft ebenso aus wie auf den Tourismus in einer der größten Urlaubsregionen Deutschlands. Stolz koordiniert ein großes Klimaforschungsprojekt an der Universität München, an dem 14 Institutionen und 46 Wissenschaftler beteiligt sind. Ergebnisse stellte sie gestern bei der 2. Klimaschutztagung des Landkreises Ostallgäu in Marktoberdorf vor. Thema des Projekts GLOWNA-Danube sind die Auswirkungen des Klimawandels auf das Einzugsgebiet der Donau in Deutschland unter verschiedenen Aspekten. Wo es möglich war, brach sie die Ergebnisse auf den Allgäuer Voralpenraum herunter. Damit zeigte sie Bürgermeistern und den Botschaftern des Ostallgäus: Nicht die Temperaturerhöhung ist das Problem, sondern die Geschwindigkeit, in der sich der Wandel vollzieht. Für den Klimawandel müsse man das Wetter über mindestens drei Jahrzehnte hinweg betrachten.
Hier seien die Ergebnisse eindeutig: Die Wetterstation Schwangau belege zwischen 1974 und 2003 einen Anstieg der mittleren Jahrestemperatur um 1,3 Grad Celsius auf derzeit 8 Grad. Ein ähnliches Ergebnis zeigte sie für Kempten. Diese Entwicklung, so alle Prognosen, werde sich noch fortsetzen: "Das ist keine Kaffeesatzleserei, wir kennen die physikalischen Prozesse." Die Temperatur werde bis 2100 um weitere 3,3 bis 5 Grad steigen. Abhängig sei dies von menschlichem Verhalten.
Die Konsequenzen daraus: Bei relativ gleichbleibenden Jahresniederschlägen verdunstet mehr, die Flüsse werden so öfter Niedrigwasser haben, die Grundwasserbildung geht zurück. Dies wirkt sich auf die Trinkwasserreserven aus. Die Ausbeute der Wasserkraftwerke sinkt um bis zu 16 Prozent.
Auch künftig gibt es viele Niederschläge - aber zeitlich anders verteilt. Im Winter kommt 8 bis 14 Prozent mehr Wasser vom Himmel - häufiger als Regen denn als Schnee. Die Zeit mit geschlossener Schneedecke verringert sich um 30 bis 60 Tage pro Jahr. Skigebiete wie am Tegelberg oder in Pfronten seien neu zu überdenken, so Stolz.
Landwirtschaft weniger planbar
Im Sommer hingegen regnet es weniger. Rentabel werde es damit für die Landwirte, wieder mehr Getreide im Ostallgäu anzubauen. Die Region könne sich gar zur Kornkammer entwickeln. Das Grünland hingegen werde öfter unter Trockenstress leiden. Der Fichte werde es zu warm. Für die Landwirte, so die Expertin, werde es schwieriger, sicher zu planen. Die Wachstumsperioden verändern sich.
Auch wenn die Sommerniederschläge etwas zurückgehen, werde es im Ostallgäu noch mehr regnen als in anderen Regionen. Das sei aber "unser Glück für die Zukunft", fasst Stolz zusammen. Denn andere Regionen müssen bei der Erderwärmung mit viel weitreichenderen Konsequenzen rechnen. Der Vortrag der Forscherin war Einstieg in einen Tag mit rund einem Dutzend Referenten. (vit)