Legau (syr). - 'Meine Schmiede stammt aus dem Jahr 1778', erzählt Othmar Singer. Noch ganz unterschiedliche Schmieden habe es damals gegeben. Den Kessel- und den Pfannenschmied, den Nagelschmied oder den Hammerschmied. 'Das hier ist eine Huf- und Wagenschmiede.' Sein Sohn Anton nickt und fügt hinzu: 'Heute gibt es vor allem noch Kunstschmieden. Die stellen Grabkreuze oder Treppengeländer her.' 'Ja', sagt sein Vater stolz, 'aber einen, der noch Wagenräder bereift, gibt es im Unterallgäu nicht mehr.' Immer dann, wenn man Holzräder für historische Gefährte braucht, ist die Legauer Schmiede von Othmar Singer deswegen eine der ersten Anlaufstellen. So bekommt der 74-jährige Rentner kurz vor den Wallenstein-Festspielen oder dem Mindelheimer Frundsbergfest immer wieder den einen oder anderen Auftrag. Dieses Jahr haben Vater und Sohn vier Räder für das Frundsbergfest hergestellt, die an einen Wagen mit einer Glocke angebracht werden sollen. 'Für so ein Rad mit etwa 80 Zentimeter Durchmesser braucht man schon ein paar Stunden', schätzt Anton Singer. Der 36-Jährige betreibt eigentlich ein Planungsbüro für Maschinenbau. 'Aber mir gefällt das alte Handwerk. Ich möchte das Wissen meines Vaters bewahren und es vielleicht irgendwann einmal weitergeben.'
Über 100-jährige Tradition Bei diesen Worten wirft ihm sein Vater einen liebevollen Blick zu. Im Hause Singer hat das Schmiedehandwerk nämlich seit über 100 Jahren Tradition. Der Rentner zeigt auf ein Buch, das die Geschichte Legauer Gebäude dokumentiert. '1902: Othmar Singer. 1930: Othmar Singer. 1965: Othmar Singer', steht dort. 'Mein Großvater hat die Schmiede 1902 gekauft, mein Vater hat sie 1930 übernommen und ich dann 1965. Wir haben alle den gleichen Namen', sagt der Rentner. Und sein Sohn schmunzelt: 'Ich heiße Anton. Anton Othmar Singer.'Neben dem Buch liegen Fotos, die Vater und Sohn bei der gemeinsamen Arbeit zeigen. Auf einem Bild steht Othmar Singer neben einem Rad, das ihn um Kopflänge überragt. 'Das hatte zwei Meter und war für einen Kanonenwagen.' Auf einem anderen Foto sieht man die beiden in der Werkstatt. Neben einer rußigen Esse steht dort auch heute noch eine so genannte Ringbiegemaschine. Für ein Rad kurbeln die Singers zunächst ein Stück Metall durch zwei Walzen, formen es so zu einem Ring und verschweißen die Enden. Die Größe, die der Stahlreifen dann hat, haben sie zuvor exakt berechnet. Und zwar so, dass der Ring etwas kleiner ausfällt als das Holzrad, auf das er angebracht werden soll. 'Wenn der Reifen in der Esse erhitzt wird, dehnt sich das Eisen nämlich aus', erklärt Anton Singer. Um ihn auf die dafür notwendige Temperatur zu erwärmen, wird er in der Esse 30 bis 45 Minuten in heiße Kohle gelegt. Anschließend packen die Singers den glühenden Ring mit armlangen Zangen und befördern ihn nach draußen. Auf einer betonierten Stelle ist hier das Holzrad befestigt, das zuvor ein Wagner gefertigt hat. Stimmt das Maß, können die beiden den Metallreif jetzt problemlos aufziehen und ihn mit Wasser abkühlen. Wenn der Ring kalt wird, zieht sich das Metall wieder zusammen und fixiert sich so am Rad. Von der Stelle aus, an der das Holzrad bereift wird, lässt Othmar Singer den Blick durch die Schmiede schweifen, wischt sich die Hände an seinem blauen Arbeitskittel ab und zeigt, wo sein Großvater den Arbeitsbereich 1925 erweitert hat: 'Damals, ja damals war das hier schon die schönste Werkstatt weit und breit.'