Einen Evergreen wie "My Fair Lady" auf die Bühne zu bringen, ist immer ein zweischneidiges Schwert: Einerseits weiß man, dass das Stück ankommt, die Dialoge zündend sind und die Musik mitreißend ist, andererseits muss man mit einem besonders anspruchsvollen Publikum rechnen, denn viele Zuschauer haben entweder den gleichnamigen, oscarprämierten Hollywoodfilm gesehen oder eine schon einmal besuchte, gute Inszenierung im Kopf, an der sie unweigerlich jede weitere Aufführung messen. Das Freie Landestheater Bayern stellte sich dieser Herausforderung und eroberte das Publikum im so gut wie ausverkauften Modeon im Sturm.
Ein Pluspunkt des Gastspiels war die gute Besetzung aller Hauptrollen: Gunter Sonneson verkörperte den eingefleischten Junggesellen Henry Higgins sehr distinguiert und ganz in seiner wissenschaftlichen Aufgabe aufgehend, Sprachen und Dialekte zu studieren. Er harmonierte hervorragend mit Max Mühlbauer, der den Oberst Pickering als vollendeten Gentleman gab, mit dem Hang, sich in seinen eigenen Ausführungen zu verlieren. Das Objekt ihrer Wette, das Blumenmädchen Eliza Doolittle, welches Higgins durch eine sorgfältige Sprachausbildung zu einer Dame machen will, verkörperte Elisabeth Neuhäusler. Sie beeindruckte mit ihrer warmen, gut ausgebildeten Singstimme und mit ihrer Wandlungsfähigkeit: Der Sprung vom ordinären Blumenmädchen zur eleganten Lady gelang ihr glaubhaft.
Grantler und Aristokraten
Während in deutschsprachigen Aufführungen die Eliza anfangs oftmals "berlinert", durfte sie hier auf bayerisch schimpfen und fluchen. Zu erwähnen sind noch Fritz Graas als grantelnder, bauernschlauer Müllkutscher Alfred P. Doolittle und Gaby Fehling, die der Mrs. Higgins dank Wiener Zungenschlag eine resolut aristokratische Note gab.
Positiv hervorzuheben ist auch der mehr als zwanzigköpfige Chor, der nicht nur seinen Gesangsnummern die nötige Durchschlagskraft verlieh, sondern dafür sorgte, dass sich in den "Massenszenen" auf der Bühne wirklich etwas rührte: Temperamentvoll und lebendig geriet die Szene auf dem Marktplatz, auf dem Higgins das Blumenmädchen Eliza zum ersten Mal sieht.
Ganz köstlich gelangen die feinen, sich wie Aufziehpuppen bewegenden Herrschaften der feinen Gesellschaft beim Pferderennen in Ascot. Elegant und schwungvoll tanzten die Paare auf dem Diplomatenball, auf dem die zur Dame gewandelte Eliza sogar einen Prinzen bezaubert. Das gut besetzte, fein abgestimmt musizierende Orchester wurde dirigiert von Rudolf Maier-Kleeblatt, der zugleich auch der Gründer und Leiter des Freien Landestheaters Bayern ist.
Ein durchdachtes Bühnenbild mit liebevollen Details - wie dem überdimensionierten Bücherregal und Grammophon in Professor Higgins Studierzimmer oder dem Big Ben mit beleuchteten Ziffernblatt, auf dem immer wieder die Zeit eingestellt wurde - tat ein übriges, um die gelungene Inszenierung abzurunden. Das Publikum im Modeon amüsierte sich bestens, geizte nicht mit Szenenapplaus und bedankte sich mit einem donnernden Schlussapplaus.