Marktoberdorf/Ostallgäu | sg | Die Ärzte im Ostallgäu sind in größter Sorge: Erehebliche Nachteile für Patienten fürchten sie, wenn die geplante Gesundheitsreform kommt. Vollends aufgerüttelt wurden einige von ihnen, als sie an einer Großveranstaltung im Münchener Olympiastadion mit rund 28000 Ärzten und Patienten teilnahmen. Renate Hartwig, Begründerin der Initiative "patient-informiert-sich.de" und Autorin des Buches "Der verkaufte Patient", warf dort laut Zeitungsberichten zufolge Gesundheitspolitikern vor, "klammheimlich den Ausverkauf unseres Solidarsystems zu betreiben". Auf Einladung der Ostallgäuer Ärzte kommt Renate Hartwig am Donnerstag, 17. Juli, nach Marktoberdorf. "Denn wir wollen den Patienten vor Ort sagen, was auf sie zukommt, wenn die Pläne der Politik umgesetzt werden", sagen Dr. Markus Strieder, Dr. Carsten Ottenthaler und Dr. Michael Pätzold gegenüber derAZ.
Schon jetzt, so die drei Marktoberdorfer Ärzte, gebe es erhebliche Einschränkungen bei den Leistungen der Krankenkassen. Und sie fürchten Schlimmeres in naher Zukunft. Hausärzte sollen ganz verschwinden, Patienten nach der Gesundheitsreform in Versorgungszentren von wechselnden Ärzten behandelt werden. Der Hausarzt aber, so unterstreicht der Kinderarzt Michael Pätzold, sehe den Patienten als ganzen Menschen in seinem sozialen Umfeld. Er kenne den Patienten und dessen Familie, könne Probleme anders einschätzen als Personal in anonymen Zentren.
"Vertrauensverhältnis wichtig"
Das Vertrauensverhältnis Arzt - Patient sei wichtig für den Heilungserfolg, meint auch Markus Strieder. Wenn die wohnortnahe Versorgung einmal der Vergangenheit angehöre, wäre dies gerade für ältere oder sozial schwächere Patienten eine wesentliche Verschlechterung. Die Mediziner teilen Hartwigs Befürchtung, dass Ärzte in einigen Jahren "zu Gesundheitstechnikern im Dienste börsendotierter Kapitalgesellschaften degradiert werden". Ottenthaler: "Ich war geschockt nach Hartwigs Vortrag: Aktiengesellschaften wollen die medizinische Versorgung übernehmen." Folgen hätte dies nicht nur für Patienten, sondern auch auf die Einkommen des medizinischen Personals wie etwa Arzthelferinnen.
Insbesondere warnen die Ostallgäuer Ärzte auch vor der Einführung der elektronischen Chipkarte für Patienten. Zum einen trauen sie der Datensicherheit nicht, zum anderen vermuten sie auch dahinter Geschäftemacherei einiger Konzerne. "Wenn wir an der befürchteten Entwicklung vorbeikommen wollen, muss die Politik jetzt die Bremse ziehen", sagt Strieder. Auch deshalb müssten die Patienten stärker informiert werden, was auf sie zukommt. Sie hätten die Macht, auf die Politik einzuwirken: Pätzold: "Den Politikern können sie sagen, dass sie sich ein Gesundheitssystem so nicht vorstellen. Nur so kann das ganze noch gebremst werden."
Der Vortrag mit Renate Hartwig beginnt am Donnerstag, 17. Juli, um 20 Uhr im Modeon. Eintritt frei.