"Unsere Forderung ist, dass die Politik Rahmenbedingungen schaffen muss, den Verfall des Milchpreises auszugleichen", rief Engelbert Vogler aus. Dafür bekam der Vorsitzende des Bundes Deutscher Milchviehalter (BDM) im Ostallgäu Applaus und zustimmendes Kuhglockengeläute von rund 75 Bauern, die sich vor dem Kaufbeurer Landwirtschaftsamt versammelt hatten. Dort demonstrierten sie für einen fairen Milchpreis. Anlass war auch der Milchgipfel im Kanzleramt, an dem Bundeskanzlerin Angela Merkel, Agrarministerin Ilse Aigner sowie Vertreter des Deutschen Bauernverbandes (DBV) und des BDM teilnahmen. "Für den Gipfel haben wir lange gekämpft", so Vogler.
Auf den Bauernverband sind er und seine Vereinigung derzeit nicht gut zu sprechen, weil er die BDM-Vorschläge torpediere: "Der DBV will, dass die Bauern weiterhin Milch für einen Markt produzieren, den es nicht gibt", so Vogler. Die Landwirte bekämen momentan gerade mal etwas mehr als 20 Cent pro Liter Milch. Deshalb nahmen viele Landwirte den Streik der Kollegen in Frankreich in den vergangenen Wochen zum Anlass für einen Milchlieferstopp. Statt zur Molkerei brachten Landwirte ihre Milch mit Güllewagen auf Äckern aus, so jüngst auch in Irpisdorf (wir berichteten).
"Sehr öffentlichkeitswirksam"
Am aktuellen Boykott hätten zwar nicht so viele Bauern teilgenommen, wie beim Streik 2008. "Aber dafür war der Lieferstopp sehr öffentlichkeitswirksam", berichtet Vogler. Seit eineinhalb Wochen ist der Lieferstopp ausgesetzt, spätestens, wenn Mitte Oktober die Agrarminister in Brüssel tagen und kein Ergebnis herauskommt, würden die Bauern und der BDM wieder in Aktion treten, so Vogler.
Der Milchgipfel in Berlin brachte jedenfalls kein Ergebnis: Der DBV fordert, die zu viel produzierte Milch mit Steuergeldern aufzukaufen. Der BDM will, dass nur so viel Milch produziert wird, wie auch auf dem Markt verkauft werden kann. Die Bauern sollten freiwillig ihre Liefermengen reduzieren. Ziel sei dann der Aufbau eines tatsächlichen Milchmarktes, der nicht von der Politik gesteuert wird, erklärt Vogler.
Aber auch dem Landwirtschaftsamt wollten die demonstrierenden Bauern in Kaufbeuren etwas ins Stammbuch schreiben: Das Amt sei die Schnittstelle zwischen den Theoretikern in den Ministerien und den Praktikern, nämlich den Bauern. Deshalb fordern die Bauern die Solidarität des Landwirtschaftsamtes. "Und geben sie unsere Forderungen nach München und Berlin weiter", so Vogler. Dazu gehöre auch, die Gleichbehandlung des BDM mit dem Bauernverband innerhalb des Amtes. Einer der Bauern forderte auch Unterstützung des Amtes bei einer korrekten Kennzeichnungspflicht: "In vielen Produkten ist nicht drin, was draufsteht. Auch regionale Molkereien verarbeiten Milch aus ganz Europa und verkaufen sie als Allgäuer Produkt", so der erboste Landwirt.
Berechtigte Anliegen
Robert Berchtold, der Leiter der Kaufbeurer Behörde, warb um Verständnis. Das Amt trage zwar den Begriff "Ernährung" in seiner offiziellen Bezeichnung, habe für diesen Bereich aber lediglich eine Teilzeitkraft zur Verfügung. "Wir werden aber ihre Vorschläge diskutieren und weiterleiten", versprach er. Er persönlich habe für die Bauern großes Verständnis: "Ich wünsche, dass ein Teil der berechtigten Forderungen erfüllt wird, schließlich hängt von ihnen auch unsere Kulturlandschaft ab", meint Berchtold.
Ob die Bauern in Brüssel auf so viel Verständnis treffen, bezweifeln sie. Wie habe einmal eine Bäuerin gesagt: "Was haben Jeans und Ministerien gemeinsam? Dass häufig an den wichtigsten Stellen Nieten sitzen", erzählte Vogler.