Die Frage, welcher Arzt sich künftig um die grippalen Infekte und Sportverletzungen der Benninger kümmert, bleibt weiter offen. Die 33-jährige Susanne Aicher hatte im Dezember die Zulassung für den freien Arztsitz in Benningen bekommen (wir berichteten). Sie war damit die offizielle Nachfolgerin des im vergangenen April verstorbenen Mediziners Dr. Klaus Marx. Dr. Michael Pütz, der zweite Mitbewerber, hat nun von seinem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht und diese Entscheidung angefochten. Er nennt die Zulassungsvergabe des Zulassungsausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) eine "Farce", die einem "gerichtlichen Verhör" gleichgekommen sei. Jetzt muss der Berufungsausschuss über die Zulassung entscheiden (siehe Infokasten).
Im Dezember sagte Pütz, der derzeit je eine Praxis in Woringen, Lautrach und Aichstetten hat, es liege ihm völlig fern, dass die Benninger in der Luft hängen. Aber sein eigenes Interesse könne er nicht völlig in den Hintergrund stellen. Die Leute "sollten es zu schätzen wissen, dass ein allgemeinärztliches Interesse da ist", so Pütz gestern auf Nachfrage der MZ. Sollte er die Zulassung im zweiten Anlauf bekommen, sei es "völlig klar", dass er nicht alle Praxen halten werde. Vielmehr wolle er seine Arbeitskraft "bündeln", sich in Benningen mit "vollem Engagement" einsetzen und die Praxis dort zu seiner "Hauptpraxis" machen.
Seit Juni vergangenen Jahres arbeitet Susanne Aicher auf Vertretungsbasis in eben dieser Praxis. Das ist möglich, weil die Witwe eines Vertragsarztes die Praxis ihres verstorbenen Mannes für eine bestimmte Zeit durch einen Vertretungsarzt weiterführen lassen kann. Im Fall Benningen endet dieses sogenannte Witwenquartal zum 1.April und wird laut Kirsten Warweg von der KV Bayern nicht verlängert. Das bedeutet, dass auch Aichers Zeit als Vertretungsärztin endet und die Praxis ab April theoretisch geschlossen bleiben muss - so lange, bis ein Beschluss des Berufungsausschusses vorliegt.
"Ich mache mich strafbar"
Aicher fürchtet nun um die Versorgung ihrer Patienten. "Würde ich ab dem 1.April behandeln, mache ich mich strafbar", sagt sie. Um weiter praktizieren zu dürfen, will Aicher jetzt versuchen, vor Gericht schnellstmöglich eine einstweilige Verfügung zu erwirken - also eine vorläufige Entscheidung des Gerichts im Eilverfahren. Sie könne nicht verstehen, warum ihr von Pütz "lauter Felsbrocken" in den Weg gelegt würden, "obwohl er weiß, dass die Benninger ihn nicht wollen", sagt Aicher. Eine Praxis dieser Größe zusätzlich zu weiteren zu stemmen, sei aus ihrer Sicht "gar nicht zu schaffen". Aicher wirft Pütz vor, nicht da gewesen zu sein, als es darum ging, die Patientenversorgung in Benningen nach dem Tod von Dr. Marx aufrecht zu erhalten. Sie selbst - damals noch in einer Gemeinschaftspraxis in Kempten beschäftigt - habe ihren Jahresurlaub investiert, um als Vertretung einspringen zu können.
Laut Warweg wird die KV "im Sinne der Patienten" auf eine "sehr zeitnahe Entscheidung" des Berufungsausschusses drängen - möglichst vor dem 31. März. Da es sich bei den Ausschüssen um zwei voneinander unabhängige Gremien handelt, besteht laut Warweg "immer die Möglichkeit, dass es anders ausgeht als beim ersten Mal".
Susanne Aicher
Dr. Michael Pütz
"Dr. med. Klaus Marx" ist auch fast ein Jahr nach dem Tod des Allgemeinmediziners auf dem Schild der Benninger Arztpraxis zu lesen. Bis die Frage geklärt ist, wer die Zulassung bekommt, wird dies auch so bleiben. Foto: Schaupp