Es gibt zwei Möglichkeiten, wenn man als Ostfriese ins Allgäu zieht: Entweder man passt sich den Allgäuern und ihren Sitten und Gewohnheiten an oder man versucht, ein Stück ostfriesischer Kultur in die neue Heimat zu holen. Hermann Janssen hat sich für Letzteres entschieden.
Weil er sich in Ottobeuren nach seiner Heimat gesehnt hat, organisierte er einst ein Boßelturnier. Heute ist dieses Turnier bei Freunden und Bekannten der Familie zur Tradition geworden. Boßeln ist in Ostfriesland und anderen Teilen Norddeutschlands eine beliebte und weit verbreitete Sportart. Im Allgäu können allerdings nur wenige Menschen etwas mit dem Begriff anfangen.
Boßeln: So funktioniert's
- Zwei Mannschaften mit der gleichen Spieleranzahl kämpfen gegeneinander
- Die Teilnehmer stellen sich an einem markierten Startpunkt auf und versuchen, die Boßelkugel (aus Holz oder Gummi, wiegt ca. 600 Gramm) möglichst weit zu werfen oder zu rollen
- Ziel ist es, für die vorgegebene Strecke weniger Würfe zu benötigen als das gegnerische Team
- Nach einem Wurf wird an der Stelle weitergespielt, an der die Kugel liegen bleibt
- Schafft es bspw. Spieler vier der Mannschaft A nicht, die Boßel weiter zu werfen als Spieler drei der Mannschaft B, macht die Mannschaft B einen "Schööt" (Punkt)
- Spieler vier des Gewinner-Teams setzt aus, damit wieder Spieler fünf gegen Spieler fünf antritt
- Die Mannschaft mit den meisten "Schööts"gewinnt
- Wenn alle Mannschaften gegeneinander gespielt haben, ist das Turnier vorbei
Dank Hermann Janssen und seinen Töchtern Mareike und Kerstin ist Boßeln immerhin bis nach Ottobeuren durchgedrungen. Seit der 64-Jährige wieder zurück nach Ostfriesland gezogen ist, lassen die beiden Töchter den ostfriesischen Sport im Unterallgäu weiterleben. Immer am Samstag vor dem ersten Advent treffen sich Freunde und Bekannte der Familie zum Boßelturnier. In diesem Jahr fand es bereits zum 19. Mal statt.
47 erfahrene Boßler und neugierige Nicht-Boßler haben sich für das diesjährige Turnier bei Mareike und Kerstin angemeldet. Knapp 800 Kilometer ist Hermann Janssen heuer wieder zurück ins Allgäu gefahren, um das mittlerweile schon traditionelle Turnier nicht zu verpassen. Auch aus Frankfurt und München sind Freunde angereist. Die Teilnehmer werden in Mannschaften mit jeweils fünf beziehungsweise sechs Spielern aufgeteilt. Gespielt wird, wie jedes Jahr, auf einer zwei Kilometer langen, wenig befahrenen Straße zwischen Ottobeuren und Wolfertschwenden. In Ostfriesland werden bei Wettkämpfen (es gibt mehrere Ligen) die Straßen kilometerlang gesperrt.
Bei acht Mannschaften und Temperaturen im Minusbereich kann das Turnier ganz schön langwierig sein. Dass die Spieler fast sieben Stunden in der Kälte stehen, macht ihnen aber nichts aus. Denn Mareike und Kerstin versorgen die Teilnehmer mit Glühwein, Punsch, belegten Semmeln und Süßigkeiten und sorgen so für gute Stimmung.
Mit 14 zu Null "Schööts" gewann Familie Janssen das Boßelturnier 2017. Das freut vor allem Papa Janssen: "Jahrelang habe ich dieses Turnier organisiert und jetzt hab ich es endlich geschafft, den Sieg mit meiner Familie einzufahren."