Von Franz Summerer, Kempten - Wie steht\'s um Pro Seniore? Die Stimmung unter den Beschäftigten im Pflegeheim am Stiftskellerweg ist auf dem Nullpunkt. Bis gestern hatten die Mitarbeiter noch kein Gehalt für August. Immer mehr Pflegekräfte kündigen oder melden sich krank. Der Vorwurf von unzureichender Pflege der 124 Bewohner wird erhoben. Der Grund: Die Saarbrücker Firmengruppe, zu der Pro Seniore gehört, hat erhebliche Finanzprobleme. Die Pro Seniore Gesundheitsdienste Gmb H besitzt bundesweit über 120 Senioren-Residenzen und Hotels. Firmen-Chef Hartmut Ostermann saß eine Woche lang wegen des Verdachts der 'gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung' in Untersuchungshaft. Es sollen 17 Millionen Euro an Lohnsteuer nicht ordnungsgemäß abgeführt worden sein. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft auch wegen des Verdachts auf Untreue gegen ihn. Zudem soll Pro Seniore mit ingesamt rund 50 Millionen Euro bei der Bankgesellschaft Berlin in der Kreide stehen. Von einer drohenden Insolvenz will aber die Zentrale in Saarbrücken nichts wissen. 'Das ist Unsinn, eine Insolvenz ist in nächster Zeit nicht zu erwarten', erklärte gestern Pressesprecher Thomas Knop auf Anfrage der AZ. Die Gehälter der Mitarbeiter - auch die der 62 Mitarbeiter in Kempten - seien 'gesichert'. Und von einer Unterversorgung im Pflegebereich könne nicht die Rede sein. Da sind die Beschäftigten von Pro Seniore in Kempten ganz anderer Ansicht. Bis gestern hätten sie ihr August-Gehalt noch nicht bekommen, sagten Pflegekräfte, mit denen die AZ sprach. Die Konsequenz: Eine Reihe von Mitarbeitern hätten bereits gekündigt oder sich krank gemeldet. Abzüglich derer, die im Urlaub sind, würden laut Betriebsrat und Dienstleistungs-Gewerkschaft Verdi derzeit nur 29 Pflegekräfte für die Betreuung der 124 teils bettlägrigen und altersverwirrten Heimbewohner zur Verfügung stehen. Mitunter müssten zwei Pflegekräfte 29 Menschen versorgen. Dennoch würden weitere Pflegefälle aufgenommen. 'So kann\'s nicht weitergehen. Das ist den alten Leuten und dem Personal nicht länger zuzumuten', so die Mitarbeiter. Das bestätigen auch Angehörige und Betreuungspersonen. 'Das Pflegepersonal reicht hinten und vorne nicht aus', ist der Eindruck von Gerhard Neumann, dessen Tante dort untergebracht ist. Walburg Jakob, Betreuerin einer an Alzheimer erkrankten Bewohnerin, geht sogar nocht weiter: 'Es ist hanebüchen, was da abläuft.' Jakob spricht von unhaltbaren Zuständen. Das viel zu wenige Personal könne die Arbeit kaum mehr bewältigen. Teilweise würden schwer pflegebedürftige Bewohner nur noch morgens und abends einmal sauber gemacht und hätten den Rest des Tages die gleichen Windeln an: 'Das stinkt fürchterlich dort', so Jakob.
Heimaufsicht prüft Wie geht\'s jetzt weiter? 'Wir müssen einschreiten, wenn eine ausreichende Pflege nicht mehr gewährleistet ist', erklärt der städtische Sozialamtsleiter Peter Müller. Derzeit würde die Heimaufsicht die Verhältnisse prüfen. Bereits die Notbremse gezogen hat die Heimaufsicht der Stadt Ulm: Sie verhängte für das dortige Pro-Seniore-Pflegeheim einen Aufnahmestopp alter Menschen. Dagegen hat die Pro-Seniore-Zentrale in Saarbrücken Klage eingereicht. Seit vergangener Woche ermittelt die Staatsanwaltschaft Ulm wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung.