Von unserem Redaktionsmitglied Roland Wiedemann, Scheidegg - Sie sind früher in Scheidegg schon mal um die Häuser gezogen. Bei seiner Hochzeit vor vier Jahren hat der Merdinger mitgefeiert. Aber so etwas hätte Tobias Steinhauser seinem Freund Jan Ullrich nicht zugetraut. 'Das ist alles andere als professionell', kommentiert der Scheidegger Radprofi die Drogeneskapaden des Radstars vom Team Telekom. Zwar kann nach Steinhausers Meinung nicht von einem Dopingfall Ullrich die Rede sein, denn die Einnahme des Aufputschmittels Amphetamin mache in der Rehaphase nach einer Verletzung keinen Sinn und diene nicht der Leistungssteigerung. 'Aber das darf er natürlich trotzdem nicht machen - schon allein wegen seiner Vorbildfunktion', findet Steinhauser. Sagen konnte er seinem Kumpel bislang nicht, was er von dessen Ausrutscher hält. Steinhauser hat in den vergangenen Tagen gar nicht erst versucht, Ullrich übers Handy zu erreichen. 'Der geht zur Zeit bestimmt nicht ran', ist sich der Westallgäuer sicher. Inzwischen hat sich Ullrich mit seiner Freundin in die USA zurückgezogen. 'Das war das beste, was er machen konnte', glaubt Steinhauser. Der Tour de France-Sieger von 1997 müsse sich jetzt Zeit lassen, um die Verletzung gründlich auszukurieren und mit sich selber wieder ins Reine zu kommen. Tobias Steinhauser weiß aus leidvoller Erfahrung wie frustrierend es ist, wenn eine langwierige Verletzung einem zuerst die Kraft und dann die Hoffnung auf eine rasche Rückkehr raubt. 'Du stehst permanent unter Druck, willst dem Sponsor zeigen, dass es wieder geht. Und dann verbessert sich dein Zustand nicht.' Das kratze an der Psyche, entschuldige aber den Griff zu Drogen nicht. Tobias Steinhauser ist aber nicht nur über Jan Ullrichs Verhalten enttäuscht, ihn ärgern auch die 'angeblichen' Dopingexperten, die sich in den vergangenen Tagen in den Medien zu Wort gemeldet haben. Dass jetzt wieder die 'alte Geschichte' mit dem Asthmaspray hervorgekramt werde, mit dem sich Ullrich in den Augen dieser Leute einen Vorteil verschafft haben soll, findet Steinhauser 'nur lächerlich'. 'Der Spray bringt einem gesunden Fahrer rein gar nichts. Nur ein Asthmatiker bekommt durch Spray wieder so viel Luft wie im gesunden Zustand.'
Schöne Tage in Scheidegg Steinhauser selber musste sich zuletzt im Anschluss an die Deutschland-Tour einer Dopingprobe unterziehen. Der Dritte der Gesamtwertung staunte doch etwas, als einen Tag nach Ende der Rundfahrt die Kontrolleure an seiner Haustür in Scheidegg klingelten. Dabei waren nicht einmal 24 Stunden vergangen, seit er nach der letzten Etappe eine Urinprobe abgegeben hatte. 'Das nervt schon', gesteht Steinhauser. 'Aber im Grunde machen die Kontrolleure auch nur ihre Arbeit. Und das ist o. k.' In dieser Woche waren die Dopingfahnder nicht in Scheidegg unterwegs. Nach den Strapazen bei der Deutschland-Tour und der Tour de Suisse konnte der 30-Jährige ungestört ein paar schöne Tage mit Frau und Kindern in Scheidegg genießen. Sich die Tagesentscheidung bei der Tour de France vor dem Fernseher anschauen - mehr hat momentan Tobias Steinhauser mit dem Radsport nicht am Hut. 'Ich bin kaputt und brauche Regeneration', begründet er die Rennpause. Zweimal musste Steinhauser zuletzt bei Starts in Italien aussteigen. 'Wenn man keine verbotenen Mittelchen schluckt, dann ist halt irgendwann der Akku leer.'