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Über 200 Jahre lang der Scholle treu

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Über 200 Jahre lang der Scholle treu

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    Kempten (mr). - 'Wenn Bauernfamilien über 200 Jahre auf dem Hof sind, dann zeigt dies Bodenständigkeit, Beharrlichkeit und vorausschauendes Denken', betonte Landwirtschaftsoberrat Gerhard Hock. Dieser Gedanke bewog auch den Bauernverband und den Ortsgeschichtlichen Arbeitskreis Heiligkreuz dazu, an einem Festabend sieben Bauernfamilien der ehemaligen Gemeinde St. Lorenz zu ehren, die zwischen 200 und 328 Jahren ihrer Scholle treu blieben. 200 Personen im Heiligkreuzer Gasthof 'Kreuz' waren Zeugen der Altbesitzehrung, die BBV-Kreisobmann Dr. Leopold Herz und die stellvertretende Kreisbäuerin Elisabeth Koch vornahmen. Eine Ausstellung mit alten Fotos und Dokumenten ergänzte das Programm. Folgende Altbesitzfamilien wurden geehrt: Abele in Atzenried (1675 erster urkundlicher Nachweis), Kreuzer in Obergrünenberg (1753), Dorn in Vorderhalden (1770), Hörburger in Feigen (1776), Knoll in Kornangers (1783), Einsiedler in Obergrünenberg (1792) und Herb in Weidach (1803). Die letzte Altbesitzehrung in Heiligkreuz fand 1953 statt. Seinerzeit wurden zwölf Bauernfamilien ausgezeichnet. 'Wie viele Altbesitzer können wohl in 20, 30 oder 40 Jahren noch geehrt werden?', warf Herz einen sorgenvollen Blick in die Zukunft. Dennoch ließ er sich den Humor nicht vermiesen. So erklärte er den teils mehrmaligen Hofnamen-Wechsel mit der Tatsache, dass mangels eines männlichen Hoferben 'halt so mancher Eindringling die Bauerntochter geheiratet' habe.

    'Herkulesarbeit' von Rudolf Geiss Ausdrücklich lobte Herz die 'Herkulesarbeit' von Rudolf Geiss: Der Leiter des Ortsgeschichtlichen Arbeitskreises hatte in monatelanger Kleinarbeit in Archiven und Chroniken dem Bauernverband in München die Altbesitz-Nachweise beschafft. 'Noch zu Dienstzeiten wäre das gar nicht möglich gewesen', sagte der frühere AZ-Redakteur, der in diesem Frühjahr in den Ruhestand trat. Geiss befasste sich eingangs mit der Frage 'Was verdanken wir im Stadtteil Heiligkreuz unseren Landwirten?' Noch im ersten nachchristlichen Jahrtausend, so der Redner, habe es dort urwaldartige Bestände gegeben. Danach rodeten oder 'schwendeten' Siedler den Wald, worauf Ortsnamen wie Elmatried, Dottenried oder Leinschwenden hinweisen. Der Wechsel vom Ackerbau über die Flachsbearbeitung bis zur heutigen Milchwirtschaft habe Landschaft und Häuser verändert: Aus dereinst kleinen Holzgebäuden mit flach geneigten Dächern seien größere Stallbauten und Bergehallen geworden. Zusammenfassend stellte Geiss fest: 'Jahrhunderte hindurch waren und sind die Bauernfamilien Rückgrat des wirtschaftlichen, kommunalen, kirchlichen und kulturellen sowie des Vereinslebens in unserem Gebiet.' Damit es einigermaßen so bleibt, müssten die Verbraucher vor allem auf heimische Qualitätsprodukte setzen. BBV-Ortsobmann Alfred Enderle ging auf den Strukturwandel der Landwirtschaft ein. 1944 hätten 44 Personen 100 Kühe versorgt, heute brauche man dazu noch drei oder vier Leute. Die Zahl der Bauern im heutigen Stadtteil Heiligkreuz (damals noch 136) sei auf 60 geschrumpft, im gesamten Stadtgebiet gebe es zurzeit noch 130 Landwirte. Das Höfesterben sei durch staatliche Ausgleichszahlungen nur zu bremsen. Allerdings seien immer noch viele Arbeitsplätze in der Milchverarbeitung und beim Handwerk mit der Landwirtschaft eng verflochten. Den 'Blick in die Zukunft' sah auch Ortsbäuerin Friederike Rietzler nicht rosig: 'Die Wertschätzung hochwertiger Lebensmittel nimmt weiter ab.' OB Dr. Ulrich Netzer lobte die Beharrlichkeit, mit der Landwirte trotz schwieriger Zeit an ihrer Scholle festhielten. Der Redner unterstrich auch das gesellschaftliche Engagement der Bauern. Lob von allen Seiten gab es für die örtliche Musikkapelle und die Bäuerinnen, die wegen des Wirte-Wechsels kurzerhand selbst die Festgäste versorgten.

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