Anton Wenzler, der älteste Mann Kemptens, wird 100 Jahre alt Skitouren mit 82 Lenzen Von Ralf Lienert Kempten Der älteste Mann Kemptens wird am morgigen Dienstag 100 Jahre alt: Anton Wenzler gehört zusammen mit vier Frauen zum Kreis der über Hundertjährigen. Dabei hat der ehemalige Oberinspektor ein einfaches Lebensmotto: 'Treibe viel Sport und halte Maß.' Mit 65 Jahren begann er mit dem Langlaufen und machte mit 82 noch Skitouren. Der rüstige Senior lebt im eigenen Haushalt und beschäftigt sich mit besonders gern Heimatgeschichte. Auf die Frage, was er an Silvester machen wird, hat er eine einfache Antwort: 'Leben'.
Als Kind verfolgte Wenzler in Oberreitnau bei Lindau die Entwicklung der Luftschiffe: 'Ich habe alle Zeppeline gesehen.' Stolz ist er auch auf die Begegnung mit einem der ersten Wasserflugzeuge, das 1913 im Bodensee landete. Den technischen Fortschritt erlebte Wenzler hautnah mit. Als er 1916 bei der königlichen Reichsbahn seinen Dienst antrat, musste er noch telegrafieren. Heute schreibt er seiner Enkelin e-mails von Kempten nach Hawaii und bekommt so auch stets aktuelle Fotos von seinen Urenkeln zu Gesicht.
48 Jahre und fünf Monate arbeitete Wenzler bei der Bahn und wurde vor kurzem für 80 Jahre Mitgliedschaft in der Eisenbahner-Gewerkschaft geehrt. Durch die Bahn kam er nach Wildpoldsried zur Ausbildung im Gütertransport, später wurde er als Betriebsassistent übernommen. Am Fahrkartenschalter sah er erstmals seine Frau Maria, die er 1933 in St. Lorenz heiratete. Mit ihr zog er an die Keselstraße in Kempten, wo er erlebte, wie die Anhänger der NSDAP seinen Nachbarn, den katholischen Arbeitersekretär Paul Strenkert, drangsalierten. Dieser wurde später als bayerischer Arbeitsminister bekannt und war nach dem Krieg wesentlich am politischen Aufbau Kemptens beteiligt.
1935 zog die junge Familie in die Eisenbahnerkolonie an der Schellenbergstraße. Anton Wenzler war inzwischen zum Fahrdienstleiter im Kemptener Stellwerk aufgerückt. 1940 wurde er kriegsbedingt nach Belgien versetzt, wo ihn die Nachricht von seiner Beförderung zum Inspektor erreichte: 'Das war einer der wichtigsten Momente im Leben und wurde mit einem Fass Bier gefeiert.'
Luftangriffe miterlebt
Es folgten vier Jahre beim Transportkommando im französischen Nancy, wo er sein goldenes Sportabzeichen machte. Über Dresden kehrte der damals 45-Jährige nach Kempten zurück, wo er die Luftangriffe der Alliierten unter anderem auf den Ostbahnhof miterlebte: 'Ich habe auch Wassereimer zum Löschen geschleppt, aber die Firmen Nicolaus und Greiter waren nicht mehr zu retten.' Nach der Besatzungszeit kam der Kempter als Oberinspektor ins Verkehrsamt. 15 Jahre lang war er dort für die Bahnregion zwischen Nonnenhorn, Schongau und Illertissen zuständig.
Für seine Heimatgemeinde Oberreitnau verfasste er eine Ortschronik, in Kempten liegen dem gläubigen Katholiken die Fürstäbte sehr am Herzen. Neben dem Wintersport frönte er jahrzehntelang dem Volkslauf und Turnen. Heute habe die Gelenkigkeit zwar etwas abgenommen, wie er erzählt. Doch geistig ist der 100-jährige noch fit. Das Geschehen vor Ort und in der weiten Welt holt er sich übrigens seit April 1933 täglich durch die Allgäuer Zeitung ins Wohnzimmer.
Seit Wochen freut sich Wenzler auf eine Messe und einen Empfang, die bereits heute Abend in der Pfarrkirche St. Hedwig in Thingers gefeiert werden. Dort erwartet er die Sängerkameradschaft Waltenhofen, in der er von 1965 bis 1981 mitwirkte. Die Musik liegt ihm im Blut und so wundert es nicht, dass er 13 Jahre lang den Gesangsverein 'Flügelrad' anführte. Auf eines aber ist der Senior besonders stolz: '1918 wurde ich zum 4. Chevaulegers-Regiment in Augsburg eingezogen und bin der älteste Veteran dieser berittenen Einheit.'Der älteste Kempter, Anton Wenzler, wird morgen 100 Jahre alt. Foto: Lienert