Ein 'hochdramatisches Ereignis' nennt Strafverteidiger Michael Bogdahn das, was sich in der Nacht zum 28. März vergangenen Jahres auf der Straße zwischen Ottobeuren und Markt Rettenbach im Unterallgäu ereignet.
Gegen 1.45 Uhr ist ein 21 Jahre alter Auszubildender in jener Nacht zum Samstag mit seinem Auto in Richtung Markt Rettenbach unterwegs. Eigentlich darf man in diesem Bereich nur Tempo 100 fahren, laut Gutachten zeigt der Tacho mindestens 112 km/h. Er fährt nur mit Abblendlicht. Drei Bier hat er nach eigenen Angaben zuvor mit Kollegen nach Feierabend getrunken.
In einer lang gezogenen Kurve gerät der Mann zu weit nach links. In letzter Sekunde erkennt er einen dunkel gekleideten Fußgänger, der sich vermutlich mitten auf der Gegenfahrbahn befindet. Es ist zu spät. Der Jugendliche wird frontal von dem Wagen erfasst und tödlich verletzt. Erfolglos bleiben Versuche, ihn wiederzubeleben, unter anderem durch einen Polizisten.
Für den inzwischen 22 Jahre alt gewordenen Unfallverursacher ist seit jener Nacht nichts mehr, wie es einmal war. 'Mein Mandant hat massive Probleme, das zu verarbeiten', sagt sein Verteidiger zu Beginn des gestrigen Strafverfahrens vor dem Memminger Amtsgericht. Er werde von nächtlichen Albträumen geplagt und habe sich in einem Brief bei den Angehörigen des Opfers entschuldigt. Was in jener Nacht geschah, sei 'eine massive Verkettung unglücklicher Zufälle' gewesen, sagt der Verteidiger.
Der ums Leben gekommene 16-Jährige hatte fast zwei Promille Alkohol im Blut. Er kam von einer Party in Sontheim, war als Anhalter zuvor bis Ottobeuren mitgefahren. Hätte der Unfallfahrer nicht die Kurve geschnitten, wäre nichts passiert, sagt der Sachverständige vor Gericht. Aber auch den 16-Jährigen treffe eine Mitschuld. Wäre er - wie eigentlich Vorschrift - als Fußgänger am linken Rand der Straße gelaufen, hätte sich kein Unfall ereignet. Unklar bleibt, warum der 21-Jährige nicht das Fernlicht einschaltete, möglicherweise hätte er den Fußgänger dann früher gesehen.
Auch die Staatsanwältin sieht ein 'Mitverschulden des Geschädigten'. Sie stellt dem angeklagten jungen Mann mit festem Arbeitsplatz und familiären Rückhalt eine günstige Sozialprognose, sagt aber auch: 'Jemand, der alkoholisiert einen tödlichen Unfall verursacht, muss eine Vollzugsstrafe bekommen.' Will heißen: Eine Geld- oder Bewährungsstrafe kommt nach Ansicht der Anklagebehörde nicht in Frage. Deshalb fordert die Staatsanwältin ein Jahr und vier Monate Haft. Zudem soll der Mann ein weiteres Jahr keine neue Fahrerlaubnis beantragen können. Der Verteidiger dagegen hält eine Bewährungsstrafe von nicht mehr als einem Jahr für ausreichend.
Die Richterin verurteilt den 22-Jährigen wegen fahrlässiger Tötung und Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer einjährigen Haftstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Zudem muss der Mann neben den Verfahrenskosten eine Geldauflage in Höhe von 2500 Euro bezahlen. Frühestens in einem Jahr kann der Mann bei der Führerscheinstelle eine Wiedererteilung der Fahrerlaubnis beantragen. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. Der Angeklagte nahm das Urteil an. Die Staatsanwältin machte keine Aussage, ob die Anklagebehörde Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen wird.