Nach dem Ausbruch von Rindertuberkulose im Bezirk Reutte (Tirol) ist ein anderes Tier als Tbc-Träger ins Visier geraten: das Rotwild. Um die Risiken zu verringern, soll es nun weit mehr bejagt werden als bisher. Im Tbc-Schwerpunktgebiet Oberes Lechtal soll der Bestand von etwa 1100 Tieren bis auf die Hälfte reduziert werden.
Auch im benachbarten Allgäu sollte man auf der Hut sein, so Bezirkshauptmann Dr. Dietmar Schennach. Schließlich gebe es beim Rotwild einen regen Austausch. "Ich habe deshalb schon mit dem Oberallgäuer Landrat Kaiser Kontakt aufgenommen", so Schennach. "Derzeit läuft ein Abstimmungsprozess, ob grenzüberschreitende Maßnahmen erfolgen sollen", heißt es vom Landratsamt in Sonthofen.
In den vergangenen Monaten wurden in der Region Reutte 75 landwirtschaftliche Betriebe gesperrt, in denen Rinder erkrankt waren - inzwischen hat sich die Lage aber wieder entspannt. "Wir haben uns gefragt, wo kann der Herd sein?", beschreibt Bezirkshauptmann Schennach die Reaktion auf Tbc-Fälle bei Rindern. Als der Verdacht auf das Rotwild fiel, wurden Stichproben im Lechtal und Tannheimer Tal angeordnet.
Tatsächlich fand die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit laut einem ersten Zwischenbericht bei neun von 133 untersuchten Rothirschen Tbc-Erreger. Ob sich die Hirsche bei den Rindern angesteckt haben oder umgekehrt, lässt sich aus den bisherigen Untersuchungsergebnissen nicht herauslesen. Ein Zusammenhang zwischen den Infektionen bei Rindern und Hirschen liegt für Bezirksjägermeister Eckhard Posch nahe: "Da, wo die erkrankten Rinder gefunden wurden, in Elbigenalp und Steeg, lebten auch die infizierten Hirsche." Vermutet wird eine Tröpfcheninfektion auf der Weide. Ein infiziertes Tier hinterlässt Tbc-Erreger, die dann ein anderes beim Fressen aufnimmt.
Maßnahmenpaket
In Abstimmung mit der Veterinärmedizinischen Uni in Wien hat der Bezirk Reutte mittlerweile ein Maßnahmenpaket beschlossen, um die Seuche zu bekämpfen. Kern ist die verstärkte Bejagung des Rotwilds. Wo sich weniger Tiere den Lebensraum teilen, kommen sie seltener in Kontakt und damit sinkt die Infektionsgefahr, so Bezirksjägermeister Posch. Weitere Maßnahmen betreffen die Winterfütterung: Es soll weniger große Futterstellen geben, um nicht zu viele Tiere zu konzentrieren. Auch sollen Lecksteine als potenzielle Infektionsherde verschwinden.
Im Ostallgäu ist Forstdirektor Robert Berchtold bislang kein Fall eines an Tbc erkrankten Rotwildes bekannt. Allerdings könne man eine Ansteckung nicht ausschließen: "Rotwild zieht über weite Strecken.
" Und gerade im Ammergebirge habe man einen sehr hohen Bestand, der sich infizieren könnte: Zur Rotwildfütterung in Schwangau kommen laut Berchtold allein 160 bis 200 Tiere, in Hohenschwangau sind es um die 75 Tiere. Allerdings: Die Wahrscheinlichkeit, dass Tbc von Rotwild auf Rinder im Ostallgäu übertragen werden könnte, schätzt Ralf Kinkel vom Landratsamt in Marktoberdorf als "gering" ein. Dennoch: Laut bayerischem Gesundheitsministerium sollen ab der nächsten, im August beginnenden Jagdsaison 250 Stück Rotwild auf Tbc untersucht werden. Der Schwerpunkt bei dieser Aktion werde auf den Landkreisen Ost- und Oberallgäu liegen, sagte gestern eine Sprecherin des Ministeriums.