Vom Erlebnis einer Ballonfahrt So weit oben und trotzdem ganz nah am Boden. Von Andreas Filke Remnatsried/Sulzschneid Ausgebreitet liegt die Hülle am Sulzschneider Boden vor dem Korb. Ein großer Ventilator bläst lautstark Luft ins Innere der Seide, bis Heinrich Geisenhof Gas gibt. Wie ein schauriger Drachen speiht der Brenner die heiße Flamme heraus, die Kugel quillt weiter auf, erhebt sich und richtet den Korb auf. Nun gilt es schnell einzusteigen, denn innerhalb weniger Augenblicke entschwindet der grün-blaue Ballon in den Abendhimmel. Wie im Fahrstuhl eines amerikanischen Wolkenkratzers steigt er nach oben und gibt den Blick frei auf eine herrliche Allgäuer Landschaft. Den vier Mitfahrern scheint es, als erlebten sie einen Traum. Häuser gleichen Spielzeug, schemenhaft wirkende Menschen winken hinterher. Und doch unterscheidet sich eine Ballonfahrt erheblich von einem Flug in einer kleinen Sportmaschine: Kirchenglocken sind zu hören, fröhlich juchzende Kinder, Motorräder, deren Fahrer auf den Geraden kräftig Gas geben. Langsam treibt der laue Wind den Ballon voran. Genuss pur.'Mittels Technik sich der Natur überlassen', beschreibt Michael Regler seine Motivation, nach dem Pilotenschein für Sportflugzeuge nun die Ballonpiloten-Lizenz zu erwerben. Zusammen mit dem selbständigen Schreinermeister Geisenhof betreibt der 40-jährige Kaufmann in Remnatsried das Ballon-Team Auerberg. Vor gut zwei Jahren schlossen sie sich zusammen, nachdem Geisenhofs alter roter Ballon aus dem Verkehr gezogen werden musste. Nur 400 Stunden beträgt die Lebensdauer einer Hülle: 'Das hängt von der Heiztemperatur und der UV-Strahlung ab.' Muss sie ersetzt werden, schlagen wieder einmal etwa 60 000 Mark zu Buche. Dabei besitzen Regler und Geisenhof eine nur recht kleine Hülle mit einem Fassungsvermögen von 3000 Kubikmetern. Oft sind Ballons rund doppelt so groß, tragen dann aber auch einen Korb mit etwa zehn Personen.
Auf der Luft treiben'Ohne Sponsoren geht selbst bei uns überhaupt nichts', sagt Regler und ist froh, ein Versicherungsunternehmen als Partner gefunden zu haben. Weil das Ballon-Team Auerberg eine Außenstart-Erlaubnis besitzt, kann eine Fahrt auch auf einer Weide, einem Sportplatz oder im Vorgarten sofern der groß genug ist beginnen. Und so startet der Ballon diesmal auf einer Sulzschneider Weide gleich neben der Haustür. Viel Fingerspitzengefühl braucht Heinrich Geisenhof, um den Ballon in die richtige Höhe zu bringen. Aber mit seiner Erfahrung gelingt das schnell. Seit sieben Jahren besitzt der 37-Jährige die Lizenz. 'Bloß keine Thermik' ist wichtigste Voraussetzung für eine Ballonfahrt. 'Sonst geht es wie im Fahrstuhl rauf und runter.' Und das hält der beste Magen nicht aus. Deshalb steigt man im Sommer nur entweder am frühen Morgen oder am Abend in die Luft. Anders in der kalten Jahreszeit. Dann sind sogar an ganz wenigen Tagen Alpenüberquerungen möglich. Eine Reise, die Regler und Geisenhof in diesem Winter gelang. Gemächlich treibt der Wind den Ballon voran. Er fährt auf der Luftschicht, ohne Motor, ohne Flügel weshalb es auch Ballon-Fahrt und nicht Ballon-Flug heißt. Als die Brüder Montgolfier 1783 erstmals einen Heißluft-Ballon steigen ließen, befanden sich eine Henne, eine Ente und ein Schaf darin. Als Testpiloten quasi. 'Nach der Landung wurden sie gemetzgert und gebraten', erzählt Geisenhof schmunzelnd. Das sind ja heitere Aussichten, denken sich die Mitfahrer. 'Aber das machen wir mit euch nicht.' Gott sei Dank. Stattdessen tauft er die Neulinge mit einem kräftigen Schuss kalten Sekts in den Nacken und verteilt Adelstitel in Erinnerung an die erste Fahrt mit menschlicher Besatzung, eben mit Adligen. Und so darf sich der Autor dieser Zeilen künftighin 'königlich-bayerischer Zeitungsschreiberling Andreas, Großfürst der klaren Winde am Abend' nennen. Schade nur, dass dieses einmalige Erlebnis so schnell endete. Obwohl: Einmalig muss es nicht sein, wie die Ballons am Himmel zeigen. Na dann auch in Zukunft: 'Gut Land', wie die Piloten sich grüßen.