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Tanzen zwischen Treibholz

Bregenz

Tanzen zwischen Treibholz

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    Tanzen zwischen Treibholz
    Tanzen zwischen Treibholz Foto: matthias becker

    Silke Woschnjak hat einen Schal um den Hals gewickelt, Alec Agalarov trägt eine Wollmütze. Mitten im Sommer - der zugegebenenermaßen ein lausiger Sommer ist. 14 Grad hat es an diesem Augustnachmittag in Bregenz. Am Abend, wenn die beiden jungen Leute ins Wasser gehen, wird es ein bisschen kälter sein. Silke Woschnjak und Alec Agalarov gehören zum Bregenzer Aida-Ballett, das Abend für Abend im Bodensee tanzt.

    Über 320000 Menschen haben bislang gestaunt und teilweise sicher auch geschlottert, wenn sie die zehn Frauen und zehn Männer auf der Bregenzer Seebühne knöcheltief im Wasser tanzen sahen. Wilde, ausladende Bewegungen, Sprünge, Drehungen. Das Wasser spritzt und die Frauen kreischen, wenn sie als Geliebte den heimkehrenden Soldaten entgegenlaufen und in die Arme fallen. Die Tänzer heben ihre Partnerinnen hoch und wirbeln sie herum.

    Den optischen Eindruck, dass dieses Ballett ungemein viel Kraft braucht, bestätigt Silke Woschnjak. "Man hat viel mehr Gewicht. Und dann soll man noch springen und dem Partner helfen, wenn er einen auffangen muss.

    " Das an sich geringe Gewicht der athletischen Tänzer wird beim Aida-Ballett erhöht durch Ellenbogen-, Knie- und Handschützer, Neoprenanzug und die klatschnassen Kostüme. Zusätzlich erschwert der Wasserwiderstand jeden Schritt und jeden Sprung.

    "Manches geht einfach nicht"

    Die in Wien lebende Tänzerin Woschnjak hat schon im vorigen Sommer bei Aida in Bregenz getanzt und dabei die Entwicklung der Choreographie miterlebt. Die von Ron Howell erdachten Figuren und Abläufe mussten erstmal im Wasser ausprobiert werden. "Manches geht da einfach nicht. Die Wege sind ganz andere, und die kleinen Bewegungen funktionieren nicht." Fünf Wochen wurde experimentiert und verbessert. "Auch für den Choreographen war das eine Herausforderung. So etwas gibt es sonst nirgends."

    Über die Anforderungen an die aus insgesamt zwölf Nationen kommenden Aida-Tänzer sagt die 27-Jährige: "Das ist nichts für schwache Leute. Und auch mental musst du stark sein." Gerade in diesem Sommer, in dem Regen und Kälte auch an der Seebühne keine Ausnahme sind. "Sobald du im 18 Grad kalten Wasser stehst, zieht sich die Muskulatur zusammen." Die Gefahr, sich Muskeln zu zerren oder zu reißen, sei viel höher als in einem warmen Theater. "Der menschliche Körper ist eigentlich nicht dazu geschaffen, im Wasser zu tanzen", sagt Alec Agalarov, der in München lebt.

    Dann erzählt der 23-Jährige von den Überraschungen des Bodensees wie Treibholz oder Fische auf der Tanzfläche. Und vom ungewohnten Untergrund: Das acht mal 24 Meter große Eisengitter ist nicht gerade gelenkschonend. Auch müssen die Positionen exakt beherrscht werden, damit niemand den Rand der Plattform übersieht oder im spritzenden Wasser den Partner verletzt - wenn etwa die Männer über die sich am Boden wälzenden Frauen springen.

    Die jungen Tänzerinnen und Tänzer achten gut auf ihren Körper, um bei solch widrigen Bedingungen gesund zu bleiben. Während der Aufführung stehen hinter der Bühne heiße Getränke und Suppen bereit. Direkt nach dem Tanz ziehen sich alle um und föhnen sich trocken. Die heiße Dusche muss noch eine Dreiviertelstunde warten, denn zum Schlussapplaus gehen sie nochmals raus auf die Seebühne.

    Massagen zur Vorbeugung

    Die Arbeitsbedingungen bei den Festspielen sind nach Meinung von Woschnjak und Agalarov schwer in Ordnung. Damit die einzelnen Tänzer nicht überlastet werden, gibt es beim Aida-Ballett ein Rotationssystem, das jedem mehr freie Tage ermöglicht - oder eine Vertretung für krankheitsbedingte Ausfälle. Im ersten Aida-Jahr haben die Festspielverantwortlichen außerdem gespürt, dass als gesundheitliche Prophylaxe Massagen segensreich für ihre Künstler sind. Seither dürfen Solisten, Tänzer und die Stuntleute der Aida-Produktion die Dienste einer Masseurin in Anspruch nehmen.

    Noch vier Mal tanzen Silke Woschnjak und Alec Agalarov zu Verdis Musik im Bodensee. Das Grillfest, mit dem die Ballett-Truppe Abschied gefeiert hat, fand schon am Dienstag statt. Vermutlich haben die beiden Schal und Mütze auch an diesem Abend anbehalten.

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