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Suizid-Versuche, Entführung, Erpressung: Fälle für die Verhandlungsgruppe der Polizei

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Suizid-Versuche, Entführung, Erpressung: Fälle für die Verhandlungsgruppe der Polizei

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    Menschen retten durch die Kraft der Worte Kempten (sh). Es ist ein Job, der schnelle Entscheidungen verlangt - und noch mehr Fingerspitzengefühl. Schließlich werden die zehn Männer und Frauen immer dann gerufen, wenn es brenzlig wird. Wenn Menschen Suizid begehen wollen oder wenn jemand entführt oder erpresst wird. In solchen Fällen sind sie gefragt, die Polizisten der Verhandlungsgruppe der Kemptener Polizeidirektion.

    Ein Beruf, der oft nicht weniger bedeutet, als anderen Menschen allein durch die Kraft der Worte das Leben zu retten. 'Wir müssen Zugang zu Menschen bekommen, die wir überhaupt nicht kennen und von denen wir eigentlich nichts wissen.' Lothar Fischer, 56, kann aus Erfahrung sprechen. Schließlich ist er der Leiter der Verhandlungsgruppe. 'Wir müssen in ganz kurzer Zeit eine Beziehung zu diesen Menschen aufbauen', erklärt er.

    Wie das geht, kann er nicht so leicht in Worte fassen - es ist das, was er 'einen Draht haben' nennt. Um helfen zu können - 'und Hilfe ist es, was sich diese Menschen letztlich erhoffen', müssen die Beamten erst einmal herausfinden, warum sich beispielsweise jemand das Leben nehmen will. Denn nur 'wenn wir eine Alternative aufzeigen können, wird es uns gelingen, die Situation zu lösen.' Viele Male ist ihm und seinen Kollegen das gelungen - jeden einzelnen dieser Fälle verbuchen sie als Erfolg. Doch Fischer kann sich auch an ein dramatisches Ereignis vor einigen Jahren erinnern, als ein Mann von einem 40 Meter hohen Kran springen wollte. 'Der Einsatz dauerte viele Stunden, doch niemand konnte letztlich richtig durchdringen zu ihm.' Es war der 3. Oktober, entsinnt sich der Polizist, die Sonne schien und der Himmel war blau. Passanten hatten den Mann entdeckt und die Polizei alarmiert. Das war um drei Uhr nachmittags. Stunden mit vergeblichen Gesprächs-Versuchen vergingen. Abends um acht sprang der Mann in den Tod.

    Hilfe auch für die Helfer

    Fischers Blick geht in die Ferne und gedankenverloren streicht er mit der Hand über einen dicken Ordner, in dem die Fälle aus den vergangenen Jahren abgelegt sind. Ein Seufzen. 'Das war ein absolutes Negativerlebnis', meint er dann. 'So viele Stunden hat man um jemanden gekämpft, hat gekämpft, obwohl man ihn doch eigentlich nicht kannte. Und dann war alles umsonst.' Das Gefühl dieses Tages hat der Kripobeamte nicht vergessen - und es ist einer der Gründe, warum auch Helfer Hilfe brauchen. Ein psychologischer Dienst sorgt dafür, dass die Polizisten über belastende Einsätze sprechen können.

    Wer bei der Verhandlungsgruppe dabei sein will, muss indes eine Spezialausbildung durchlaufen und wird in Gesprächsführung und Psychologie geschult. Das Team, das sich um Fälle quer durchs Allgäu kümmert, setzt sich aus Beamten verschiedenen Alters und unterschiedlicher Dienstgrade zusammen. Zehn Fälle von Suizid, Erpressung und anderem bearbeitet die Gruppe im Jahr - was bei allen neben der 'normalen' Arbeit läuft.

    Früher, so erinnert sich Fischer, wurden er und seine Leute häufiger gerufen - es gab mehr Erpressungen und Entführungen. 'Diese Delikte gibt es nicht mehr so oft', meint er - und lächelt in sich hinein, als er an einen besonders spannenden Fall denkt, den er vor Jahren in Lindau erlebt hat. Es ging um Erpressung. 'Das war wie in einem Film - vier Wochen lang haben wir im Haus des Erpressungsopfers gewohnt, haben jeden Anruf des Erpressers mitgehört.' Seine Augen blitzen ein wenig - denn der Täter wurde gefasst und der ganze Fall ging gut aus.

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