Der alte, rostige Kran liegt in Teile zerlegt im Hof der Holzbaufirma unterhalb von Kirchheim (Unterallgäu). Bis Mitte Oktober hatten ihn neun Storchenpaare bewohnt. Es war die erste Kolonie in der Region.
Immer wieder blieben Leute an der Schranke des Betriebs stehen, berichtet Markus Holzheu. Es gab auch die telefonische Anfrage einer Allgäuer Familie, ob sie die Störche anschauen dürfe. Kirchheim hatte neben dem Fuggerschloss mit dem berühmten Zedernsaal eine weitere Attraktion.
Doch der Kran war mittlerweile so marode, dass Firmeninhaber Holzheu das Risiko zu groß wurde. Doch wohin mit den Störchen, wenn sie Anfang März zurückkehren? In Gesprächen mit Vertretern des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) wurden allerlei Möglichkeiten diskutiert. Angedacht war unter anderem ein Mastenpark und eine Verteilung auf umliegende Gebäude.
Doch dann hatte Holzheu die zündende Idee: Es soll einen neuen 'Kran' geben – etwa 100 Meter entfernt. Dort wird ein Teil des alten am Rand des Firmengeländes wieder aufgebaut. Er wird 21 Meter hoch sein. Auf zwei Ebenen (sechs Meter übereinander) werden acht fünf Meter lange Ausleger angebracht und darauf Nestunterlagen aus verzinktem Stahl. Diese hat eine heimische Firma gefertigt - gegen Materialkosten und eine Brotzeit. Ein neuntes Nest wird auf der Spitze des 'Krans' angebracht.
Als das erste Paar vor zwölf Jahren kam, war Holzheus spontane Reaktion: 'Ui, ein Storch!' Bald waren die ersten Jungen da. Alle waren begeistert. Er wollte den Kran eigentlich damals schon abbauen. Er war nicht mehr in Betrieb und hatte keinen TÜV. Doch nun blieb er stehen. Und zwei Jahre später kam das nächste Paar und so ging es weiter.
Holzheu hatte nicht nur Freude an seinen Störchen. Mit jedem neuen Paar wuchs auch der Dreck, den die Vögel verursachten. Dauernd musste der Hof gekehrt werden, der mitten auf dem Betriebsgelände liegt. Da lagen tote Mäuse und Maulwürfe, angepickte Fische und auch immer wieder mal ein toter Jungstorch, den die Eltern aus dem Nest geworfen hatten.
Die Lageristen schimpften schon mal. Die Autos waren vollgespritzt vom weißen Kot. Oft stank es wegen der toten Beutetiere. Einmal fiel bei einem Sturm ein Nest auf einen Container. Der war kaputt. Wegen des lauten Geklappers mussten auch schon mal die Fenster geschlossen werden.
Das alles schreckte Holzheu und seine Familie nicht. Sie wollen 'ihre' Störche behalten. Wie für ein Wohnhaus wurde beim Landratsamt ein Bauantrag gestellt. 20 Stunden dauerte der Abbau des Krans, für den extra ein Autokran gemietet worden war. Den braucht Holzheu auch für den Wiederaufbau. In den nächsten Wochen wird das Fundament betoniert. Am Stahlgestell des Krans werden Halterungen für die Ausleger angebracht.
Dann müssen die weit über 50 Kilogramm schweren Nester darauf montiert werden. Sie wurden von Ehrenamtlichen storchengerecht ausgekleidet, sagt Josef Schlögel, Koordinator vom LBV. Unten wurden grobe Äste reingelegt, am Rand Weiden eingeflochten. Aufgefüllt wurde dann mit Hackschnitzeln. Das Reisigmaterial stellte die Gemeinde. Und ganz wichtig, sagt Weißstorch-Experte Anton Burnhauser: Oben drauf müssen Reste der alten Nester - wegen des Wiedererkennungseffekts. Diese wogen im Übrigen 300 bis 600 Kilo.
Dann wächst die Spannung. Nehmen die Störche ihr altes neues Quartier an? Burnhauser ist da sehr zuversichtlich. Die 'Kirchheimer' sind sozial sehr miteinander verbunden und gehen sogar gemeinsam auf Futtersuche. Der Landesbund für Vogelschutz hat von der Regierung von Schwaben eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zur Beseitigung der alten Nester erhalten. Außerdem fördert die Behörde die Umsiedlung über das Landschaftspflegeprogramm.
30 Prozent der Kosten müssen der LBV und diverse Unterstützer selbst aufbringen. Die Storchenbrauerei im benachbarten Pfaffenhausen leistet ihren Beitrag seit 1999 über ihr Öko-Sponsering: Von jeder Kiste 'Störchle-Bier' geht ein Teil an den LBV, sagt Inhaber Hans Roth. Und finanziell im Boot ist natürlich Unternehmer Holzheu, der sich die bayernweit einzigartige Aktion einiges kosten lässt.
Die Umsiedlung einer Storchenkolonie hat es in Bayern bislang nicht gegeben, sagt Burnhauser, der bei der Naturschutzabteilung der Regierung von Schwaben in Augsburg tätig ist. Der Biologe weiß das Engagement der Leute im Mindeltal zu schätzen. Denn oft gibt es bei Umsiedlungen Widerstand von Hauseigentümern, Bürgermeistern und Pfarrern - wegen des Drecks, den die Störche verursachen. Der große Erfolg im Mindeltal, wo die Vögel mittlerweile wieder zum täglichen Bild gehören, ist der Teamarbeit zu verdanken. 'Kommentar