Nutzen Sie Google, Youtube oder Facebook? Kaufen Sie bei Amazon und Ebay ein oder speichern Sie Ihre Bilder bei Flickr? Dann wird ACTA auch Sie betreffen. Am Samstag haben in Kempten ca. 300 Menschen gegen das geplante Handelsabkommen demonstriert. Bilder von der Demo finden Sie auf der Anti-Counterfeiting Trade Agreement", kurz ACTA, ist ein Abkommen, das internationale Standarts gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen setzen soll. Neben den USA und Japan sind vor allem die Europäische Union, Kanada, Mexiko, Südkorea und Australien daran beteiligt. National sollen die Staaten ACTA in Gesetze umwandeln, international sollen die Länder bzw. Staatenbünde zusammenarbeiten. Das gefälschte Lionel Messi Trikot und die nachgemachte Vichy Hautcreme sind genau so Thema von ACTA, wie auch Urheberrechtsverletzungen im Internet. Wie mit "Produktpiraterie" im Netz umgegangen werden soll, regelt der Artikel 27 des Handelsabkommens - dagegen gibt es allerdings massive Proteste. Viele Experten sehen in ACTA nämlich nicht den gewünschte Schritt in Richtung Urheber- und Künstlerschutz im Internet. Für sie ist es mehr die Vision von George Orwell aus seinem Buch '1984': Flächendenkende Überwachung und die Umkehr der Beweislast. Auch ist noch nicht klar, ob ACTA gegen geltendes Recht verstößt. Aktuell prüft der Europäische Gerichtshof das Abkommen. Rechteverwalter und Anwälte diktieren und kontrollieren das Internet? Diejenigen, die die Freiheit im Netz durch ACTA bedroht sehen, gehen auf die Straße. In Kempten findet am Samstag die erste Anti-ACTA Demo im Allgäu statt. Die Veranstalter erwarten um 14.00 Uhr am Forum Allgäu über 400 zumeist junge Menschen, die Flagge zeigen gegen das 'Anti-Piraterie-Abkommen'. Unter ihnen werden auch Pia Düwel und Lukas Pollmann sein. Die beiden Mitglieder der Piratenpartei Allgäu-Bodensee organisieren den Protest und halten Reden. Das Internet mit ACTA? "Dieses Abkommen geht jeden an – das Internet, so wie wir es kennen, kann mit ACTA nicht mehr in dieser Form existieren', erklärt Lukas Pollmann. An einem einfachen Youtube-Beispiel zeigt er, wie das Internet aussehen könnte, wenn ACTA in Kraft tritt. "Die Band 'Walk off the Earth' ist mit ihrem Coversong 'GOTYE, weltweit berühmt geworden." Mittlerweile wurde das Video über 60 Millionen Mal geklickt. "Mit ACTA würde dieses Video nie den Weg auf Youtube finden - sofern Youtube dann überhaupt noch existiert." Das Bild, das die Piraten vom Internet mit ACTA zeichnen, wird noch düsterer. "Postet man zum Beispiel ein selbst fotografiertes Bild an seine Facebook-Chronik, auf dem im Hintergrund ein McDonald's-Zeichen zu sehen ist, wäre das streng genommen schon eine Copyrightverletzung. Facebook müsste das Bild löschen, sonst könnte der Großkonzern selbst belangt werden." Außerdem sollen laut Pollmann Internet-Provider angehalten werden, jeden Nutzerverkehr so zu prüfen, dass Urheberrechtsverletzungen sofort erkannt werden. "Das heißt, dass sowohl der Mailverkehr, als auch jede andere Aktion im Netz überwacht werden müsste. Das ist ein klarer Eingriff in die Privatsphäre." "Wir sollten ACTA zeichnen" Für den Allgäuer Bundestagsabgeordneten Stephan Thomae ist die Diskussion um ACTA zu emotional. "Auf der einen Seite kann ich natürlich verstehen, dass die Menschen besorgt sind", erklärt der FDP-Abgeordnete. Andererseits seien viele Bürger leider nicht ausreichend informiert. So soll das Youtube-Video der Netzaktivisten Anonymous "kaum einen Sachverhalt korrekt schildern." Weder das "three-strikes-modell", also die Abschaltung der Internetverbindung nach drei Urheberrechtsverletzungen, befindet sich im ACTA-Vertragstext, noch soll die Bundesregierung die Provider bei der Überwachung des Netzzugangs unterstützen. Auch viele andere Kritikpunkte, die auf den Demonstrationen Gehör finden, seien überholt und längst aus den Verträgen gestrichen. Thomae ist sich sicher: "In Deutschland wird sich mit ACTA nichts ändern." Zu sachlichen Gesprächen über ACTA wäre der FDP-Politiker trotzdem jederzeit bereit. Sollte sich dabei aber herausstellen, dass die Gegenargumente entweder veraltet oder grundsätzlich falsch seien, sollte laut Thomae ACTA unterzeichnet werden. Denn: Es schütze einige unserer wichtigsten Güter: unsere Ideen und kreativen Werke. Ob nun Panikmache und Fehlinformation oder berechtigte Bedenken am Handelsabkommen ACTA - die Angst vieler Menschen, dass sich das Internet signifikant ändert, bleibt bestehen. Und wenn man bedenkt, was nach ACTA noch alles kommen kann, ist diese vermutlich nicht unberechtigt.
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