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Stelzenmichl musste widerrufen

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Stelzenmichl musste widerrufen

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    Marktoberdorf (gb). - Eine stattliche Anzahl von Besuchern war ins Pfarrheim gekommen, um sich über einen berühmten Sohn Marktoberdorfs, Johann Michael Feneberg, zu informieren. Mit seiner Allgäuer Erweckungsbewegung war er weit über die örtlichen Grenzen hinweg bekannt geworden. Bistumshistoriker Professor Dr. Peter Rummel wusste ein lebendiges Bild dieses Theologen zu zeichnen. Johann Michael Feneberg wurde 1751 im Markt Oberdorf geboren. Acht Jahre später trieb der Großbrand, bei dem die Eltern die Bierwirtschaft 'Zum Steinwirt' verloren, die Familie an den Rand des wirtschaftlichen Ruins. Trotzdem ermöglichten sie ihrem Sohn ein Studium, das ihn zunächst nach Kaufbeuren, dann nach Augsburg und schließlich in das Noviziat der Jesuiten nach Landsberg führte. Dort lernte er den späteren Bischof von Regensburg, Johann Michael Sailer, kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. 'Dass er Pfarrer werden sollte, stand schon vor seinem Aufenthalt in Kaufbeuren fest', sagte Dr. Rummel. Nach weiteren Studien in Ingolstadt und Regensburg wurde er 1775 im dortigen Bischofspalais zum Priester geweiht. Im selben Jahr wurde er in Regensburg Professor am Gymnasium. Fenebergs Zeit als Benefiziat in Oberdorf begann 1778. Er hatte an allen Sonn- und Feiertagen sowie an vier Wochentagen in der Kapelle die Frühmesse zu lesen. Auf Empfehlung Sailers, der als Professor in Dillingen lehrte, kam Feneberg 1785 ebenfalls als Erzieher in diese Stadt. Dort gehörte er zu den reformfreudigen Lehrern. Er entwickelte einen neuen Lehrplan und unterrichtete in deutscher Sprache. Diese Tatsachen und weil er die Jugend mit seinen Methoden begeisterte, brachten ihm Neid und Missgunst der übrigen Professoren-Kollegen ein. Um Auseinandersetzungen zu entgehen, sah er sich nach einem Ortswechsel um. Er entschied sich für die Pfarrstelle in Seeg, die etwa 2500 Gläubige zählte, die über 450 Anwesen weit verstreut waren. 1793 wurde Feneberg bei einem Sturz von seinem Pferd so schwer verletzt, dass ihm - bei vollem Bewusstsein - sein rechtes Bein amputiert werden musste. Aus Pfronten erhielt er ein hölzernes Bein, das ihm den Spitznamen 'Stelzenmichl' einbrachte. Bei Feneberg 'brach in dieser Zeit etwas Neues auf. Er war auf dem Weg ein Erweckter zu werden', führte der Bistumshistoriker aus. Feneberg wollte in sich und anderen das Christentum neu beleben. Er war der festen Überzeugung, dass sich Gott ihm mehrmals geoffenbart hatte. Diese 'Erweckung' wurde von ihm und seinen Anhängern 'als eine geistige Wiedergeburt' verstanden. Weil Christus nach ihrer Überzeugung leibhaftig in ihren Seelen wohnte, konnten sie nicht mehr sündigen. Außerdem suchte der Erweckte, sein Heil fast allein aus dem Glauben zu erringen; gute Werke spielten dabei keine Rolle mehr. Durch diese persönliche Verbindung mit Christus hat der Erweckte bereits das Heil erlangt, das ihn direkt in den Himmel führt. Die Erweckungsbewegung breitete sich rasch aus. Die Augsburger Kurie fürchtete eine Kirchenspaltung und zitierte Feneberg und seine Kapläne zum Verhör. Am vierten Tag wurden dem Seeger Pfarrer zwölf Sätze aus diesem Verhör vorgelegt, die er dem Auftrag gemäß widerrief. Dann durften die Geistlichen zurückkehren. In Seeg blieb Feneberg noch weitere sieben Jahre, bevor er 1805 die Pfarrei in Vöhringen übernahm. Am 12. Oktober 1812 starb er 61-jährig an seiner letzten Wirkungsstätte.

    Antwort auf Rationalismus gesucht Aus heutiger Sicht wird die Erweckungsbewegung positiver beurteilt als damals, betonte Rummel. Feneberg und seine Mitstreiter hätten eine Antwort auf den Rationalismus und die vernunftbetonte Theologie seiner Zeit gesucht, die 'die Volksfrömmigkeit wie beispielsweise Wallfahrten und das Heilige Grab abgeschafft' hätten. Anerkennung fände heute auch die Vertiefung des Glaubens, die durch die Erweckungsbewegung angestoßen worden sei.

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